© Japan against Nuclear
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Japan: Der Widerstand gegen Atomkraft wächst

Im Auftrag der Stomsicherheitsbehörde der ACRO (Association de Controle de la Radioactive dans la´Ouest) wurde ein Bericht „BürgerInneninitiativen in Japan im Anschluss an die Katastrophe von Fukushima", ausgearbeitet- mit teils schockierenden Detail

Gesperrte Informationen für die Medien

Für die Tageszeitung Asahi ist das Berichten über den Unfall in Fukushima ähnlich wie eine Kriegsberichtserstattung: die einzigen Informationen dazu kommen von TEPCO.
Die meisten der Befragten im Bereich des AKWs Fukushima verweigerten vorerst ihre Aussagen. Bei einigen von ihnen war man dann doch erfolgreich: Aber die Antworten gab es nur in der Nacht, heimlich auf Parkplätzen. Die Interviewten beschwerten sich über die schrecklichen Arbeitsbedingungen, über ihre Angst, verstrahlt zu werden und über unzureichende Strahlenkontrollen.

Es war nicht möglich, den Direktor des AKWs zu befragen. Auch das Bildmaterial wird komplett von TEPCO kontrolliert. Es werden nur Bilder veröffentlicht, die TEPCO freigibt. Und: Es gab nur eine einzige Pressereise an den Ort des Unglücks, mit extrem strenger Vorauswahl der Journalisten.

Ähnliches in der Evakuierungszone im Umkreis von 20 km. Für Zeitungsredaktionen war es nicht möglich, vor dem 25.April in die Zone zu kommen. Unabhängige Journalisten waren aber vor Ort, schon bevor die Zone versiegelt wurde. Die zweite Reise in die "Zone" fand am 10. Mai statt, als die BewohnerInnen das Recht bekamen, für eine kurze Zeit nach Hause zurückkehren zu können.

Tataura Uchida, emeritierter Philosophieprofessor am Kobe College: "Ich habe vier führende Tageszeitungen des Landes abonniert, ich kann aber die einzelnen Zeitungen nicht unterscheiden, wenn ich dort einen Artikel lese, der mit dem Atomunfall zu tun hat. Nicht nur das: Es gibt nicht einmal Bemühungen, differierende Erklärungen zu bringen.’
‘Es ist, als ob die Reporter Angst hätten, anderes zu schreiben, als der Rest. Dieselben Artikel geschrieben zu haben, gibt ihnen ein Gefühl der Sicherheit. Das führte zu wachsendem Unmut bei der Leserschaft, die darin eine Wiederholung dessen sieht, wie sich die Medien während des Zweiten Weltkriegs verhalten haben.’
Für ausländische Medien ist es noch komplizierter. Pressekonferenzen oder Reisen für die Presse werden ihnen nicht ermöglicht. Für viele Japaner sind die Medien, nach einer jahrelangen Absenz von Kritik gegenüber Atomenergie, seit der Katastrophe komplett diskreditiert. Die Tatsache, dass TEPCO und die Behörden seit Jahren systematisch behaupteten, dass es keine Kernschmelze geben könne, sondern nur eine Beschädigung der Brennstäbe, um letztendlich zugeben zu müssen, dass es in den Reaktoren 1,2 und 3 doch zu einer Kernschmelze gekommen war, löste für die Medien und die Politik einen Schock aus...
Die Suche nach unabhängiger Information war die Folge. Die Bevölkerung fühlt sich verloren und weiß nicht mehr, welchem Experten sie Gehör schenken soll. Auch innerhalb von Familien gibt es zu diesen Themen große Spannungen, die manchmal sogar zu Ehescheidungen führen können.

Das Internet und soziale Netzwerke haben in der Information der Menschen eine sehr wichtige Rolle übernommen. Das sieht man an der Explosion der Zugriffe auf die Homepage von ACRO, jener japanischen Seite, (zu den Messungen von Radioaktivität bei unterschiedlichen Art von Proben), die 2011 am öftesten aufgerufen wurde.
Der Online-TV-Sender Our Planet spielte ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Verbreitung von alternativen Informationen. Eine Vielzahl von NGOs und Bürgerinitiativen, die schon ein gewisses Knowhow in diesem Bereich hatten, wurden eingeladen, ihre Eindrücke zu berichten (wie z.B. VertreterInnen der Gruppe Kakehashi, die den Opfern von Tschernobyl Hilfe geleistet hatte). Die Zuseherschaft des Senders hat sich verzehnfacht, mit bis zu 100 mal mehr Online-Zugriffen als zuvor. An den Universitäten wurde getwittert- man gewann ein immenses Publikum. Einige Blogger nahmen sich die Mühe, Informationen aus dem Japanischen ins Englische zu übersetzen, um internationale Resonanz zu bekommen.
Viele lokale Gruppen, oft "Retten wir unsere Kinder" genannt, sind im ganzen Land gegründet worden. Nun gibt es davon bereits mehr als 275 in Hokkaido und Okinawa, die in einem Netzwerk organisiert sind. Vor allem in den Metropolen (Tokio und die Region Kioto-Osaka) und in der
kontaminierten Zone sind die meisten Gruppen aktiv. Diese hatten anfangs ermöglicht, sich gegenseitig über die mit Radioaktivität verbundenen Probleme auszutauschen, über die Konflikte, die sich daraus in den Familien ergaben, über die Maßnahmen, die getroffen wurden um die Kinder zu schützen, und um Druck auszuüben auf die lokale Politik, damit Schulen dekontaminiert wurden, um den Schutt wegzuräumen, den der Tsunami hinterließ, um Schulkantinen zu kontrollieren und – vor Ort um Fukushima- um eine Vergrößerung der Evakuierungszone zu erreichen, zumindest für Kinder und Schwangere.

Für viele Mütter ist es das erste Mal, dass sie aktiv werden. Hunderte von ihnen waren bis dahin nicht einmal wählen gegangen.

(Übersetzung aus dem Magazin "Sortir du nucleaire" Nr. 53, Seite 15 )

Information und Strahlenschutz hält Japans Bürger in Bewegung

Es ist Zeit, um selbst aktiv zu handeln, das hat man in Japan erkannt.
Zu den Erfolgen der örtlichen Bevölkerung gehört die Dekontamination vieler Schulen oder das Engagement der Regierung bei der Finanzierung von Strahlenmessgeräten, mit denen das Essen der Schulkantinen in 17 Provinzen kontrolliert wird. Die meisten dieser Gruppen bleiben noch auf einer gewissen Distanz zur Anti-Atom-Bewegung an sich, um es allen Menschen mit unterschiedlichen Meinungen zu ermöglichen, sich ihnen anzuschließen. Ihr Ziel ist zuvorderst, die Kinder vor Schäden zu bewahren, nicht Politik zu machen.

Die Schwierigkeit wird sein, langfristig durchzuhalten, wie Semikolon Ito meint, eine der Initiatorinnen des Netzwerks dazu: "Elterngruppen sind im ganzen Land entstanden und auch nach sechs Monaten werden immer noch welche gegründet. Aber langfristiges Engagement ist schwierig. Es ist nötig, diesen Elan in eine Bewegung zu transformieren, die nicht mehr vergisst, die nicht mehr aufgibt, die sich nicht mehr stoppen lässt".

Anti-Atom-Gruppen wie Fukuro no kai, Greenpeace oder Friends of the Earth Japan, um nur einige zu nennen, waren in erster Linie da, um den Opfern der Katastrophe zu helfen. Die Anti-Atom-AktivistInnen kannten die notwendigen Maßnahmen, um Radioaktivität und die mit ihr verbundenen Risiken verstehen zu können, gut und sind bereits organisiert. Ihre Unterstützung war für eine Vielzahl von diesen Kinderschutzgruppen äußerst wertvoll.


Quelle: Bericht der Gruppe ACRO (Association de Controle de la Radioactive© dans la´Ouest) ‘BürgerInneninitiativen in Japan im Anschluss an die Katastrophe von Fukushima"

GastautorIn: Übersetzung und Zusammenfassung Bernhard Riepl für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /