© Maschinenring OÖ.
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Lebensministerium sieht keine Kehrtwende in EU-Biokraftstoffpolitik

Unautorisiertes Kommissions-Dokument hat keine Rechtsverbindlichkeit

Das Lebensministerium zeigt sich von der gestern von der Nachrichtenagentur Reuters veröffentlichten Meldung, wonach die EU vor einer "Kehrtwende in ihrer Biokraftstoffpolitik" stehe, unbeeindruckt: Bei dem angeblichen Gesetzesentwurf der Europäischen Kommission zur Nutzung von Biokraftstoffen handle es sich um "kein offizielles Papier", sondern um ein unautorisiert veröffentlichtes Arbeitsdokument, das zur internen Abstimmung zwischen den zuständigen EU-Generaldirektionen für Klimaschutz und Energie diene. Das Papier betrifft die Änderung der beiden EU-Richtlinien zur Förderung der erneuerbaren Energien und zur Kraftstoffqualität im Zusammenhang mit dem Thema "Indirekte Landnutzung". Kritik an den genannten EU-Dokumenten kommt indessen von der deutschen Bioethanolwirtschaft. Sie vermisst "konstruktive Lösungen für die europäische Energie- und Klimaschutzpolitik und verweist auf zahlreiche Fehler in den Studien bezüglich Treibhausgas-Einsparungen durch Biokraftstoffe.

Derzeit wird in Brüssel auf Kabinettebene der beteiligten EU-Generaldirektionen über neue Auflagen für Biokraftstoffe beraten. Ein entsprechendes Arbeitsdokument wurde offenbar der Nachrichtenagentur Reuters zugespielt und von dieser gestern unter dem Titel "Wende mit Biosprit - EU will kein Getreide mehr dafür" veröffentlicht. "Einem Gesetzesentwurf zufolge sollen die Subventionen für Sprit aus Raps, Mais oder anderen Rohstoffen der Nahrungsmittelproduktion bis zum Ende des Jahrzehnts ganz gestrichen werden. Ihr Anteil an den wegen ihrer klimaschonenden Wirkung geförderten Biotreibstoffen soll dann auf 5% gesenkt werden", berichtete Reuters unter Berufung auf einen "Entwurf der EU-Kommission". Brüssel sei der Ansicht, "dass in der Zeit nach 2020 Biotreibstoffe nur gefördert werden sollen, wenn sie zu einer deutlichen Senkung der Treibhausgase beitragen und nicht aus Getreide hergestellt werden, die für Nahrungs- oder Futtermittel genutzt werden". Laut mehreren von der EU in Auftrag gegebenen Studien sei nämlich Biosprit aus Getreide "lange nicht so klimafreundlich wie gedacht", so Reuters.

Kritik an wenig aussagekräftiger und unrealistischer Studie

Diese Aussagen stoßen beim Bundesverband der deutschen Bioethanolwirtschaft (BDBe) auf heftige Kritik: "Im Mittelpunkt der aktuellen Beratungen in Brüssel steht dem Vernehmen nach ein Maßnahmenpaket, welches teilweise aus den Ergebnissen eines Berichts des International Food Policy Research Institute (IFPRI) vom vergangenen Jahr abgeleitet wird", stellt der Verband fest. Dieser IFPRI-Bericht sei allerdings wenig aussagekräftig, da er zum Teil auf falschen Annahmen und Zahlen beruhe.

So sollen sogenannte iLUC-Werte in die Treibhausgas-Bilanzierung von Biokraftstoffen aus pflanzlichen Ölen, Zucker sowie Stärke einbezogen werden. iLUC steht dabei für Indirect Land Use Change, also indirekte Landnutzungsänderungen. "Direkte Maßnahmen gegen Landnutzungsänderungen wie die Regenwaldrodung zur Palmölproduktion in Indonesien sind jedoch nicht vorgesehen", bemängelt der BDBe. Zweitens solle die erforderliche Treibhausgasminderung für alle Biokraftstoffe von gegenwärtig 35% auf mindestens 50 beziehungsweise 60% aus neuen Produktionsanlagen steigen. Außerdem solle von dem Mindestanteil in Höhe von 10% erneuerbare Energie im Verkehr die Hälfte mit Biokraftstoffen aus Abfall, Reststoffen, Zellulose und Algen erfüllt werden. Diese Biokraftstoffe sollen laut Kommission bis zu vierfach auf die Erfüllung des Mindestanteils angerechnet werden. Dieser Vorschlag ist aus Sicht des BDBe "unrealistisch, weil diese Abfallstoffe in absehbarer Zeit nicht zur Verfügung stehen werden".

Verschärfte Auflagen für EU-Biokraftstoffe können Regenwald nicht schützen

"Die deutsche Bioethanolwirtschaft lehnt iLUC-Werte für europäische Biokraftstoffe strikt ab und warnt davor, gesetzliche Änderungen auf den IFPRI-Bericht zu stützen. Dieser kann nicht als Grundlage für gesetzliche Maßnahmen in Betracht kommen", stellt Dietrich Klein, Geschäftsführer des BDBe, fest. Anstelle von iLUC-Werten für europäische Biokraftstoffe fordert der Verband wirksame Schutzmaßnahmen gegen Regenwaldrodung in den betroffenen Regionen Südamerikas und Südostasiens. "Verschärfte Auflagen für Biokraftstoffe aus europäischer Biomasse können den Regenwald nicht schützen", warnt Klein.

Anstelle einer vierfachen Anrechnung von Biokraftstoffen aus Abfällen und Reststoffen verlangt der Verband eine wirksame und wettbewerbsneutrale Förderung. Dies könne durch einen zusätzlichen und spezifischen Mindestanteil für solche Biokraftstoffe erreicht werden. Diese Abfälle und Reststoffe, wie zum Beispiel Stroh für Bioethanol, müssten in einer abschließenden Positivliste zur Klarstellung eindeutig gesetzlich definiert werden. Damit würden die Ziele der Erneuerbare-Energien-Richtlinie noch wirksamer als bisher unterstützt", argumentiert Klein.

Streitthema Landnutzungsänderungen

Die deutsche Bioethanolwirtschaft hat bereits mehrmals auf die gravierenden Defizite in jener Studie hingewiesen, die die Basis für Entscheidungen zu diesem Thema in Brüssel bilden soll. Der im Oktober 2011 veröffentlichte Bericht des International Food Policy Research Institute (IFPRI) sollte der EU-Kommission eine Abschätzung der Folgen von Landnutzungsänderungen durch die europäische Biokraftstoffpolitik liefern. Der BDBe stellte nach Analyse des verwendeten Modells MIRAGE-BioF fest, dass "dieses für die Prognose von Treibhausgas-Emissionen aus Landnutzungsänderungen untauglich ist". Erstens würden in diesem Modell die vorhandenen staatlichen Schutzmaßnahmen gegen iLUC ignoriert. Darüber hinaus habe der Verfasser des IFPRI-Berichts selbst 27 Unsicherheiten angeführt und bereits früher darauf hingewiesen, dass das Modell wegen unsicherer Daten nicht dazu geeignet sei, Landnutzungsänderungen und daraus stammende Treibhausgas-Emissionen quantitativ zu prognostizieren, gibt der BDBe zu bedenken.

Quelle: aiz.info - Agrarisches Informationszentrum, Pressedienst


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /