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"Anlagenot" und "Sonnenangebot"

Eine oekonews-Ansichtssache von Dr. Gert Wallisch

Zur „Anlagenot“

Die Tagesnachrichten Europas und in vielen anderen Regionen der Welt sind derzeit voll von negativen Schlagzeilen. Dabei geht es in erster Linie um die Finanz- und Wirtschaftskrise, die Staaten, Regierungen und Unternehmen weltweit voll im Griff zu haben scheint. Die europäische Schuldenkrise, an der insbesondere (aber keineswegs ausschließlich) die südeuropäischen Staaten leiden, zwingen zu einem massiven Sparkurs, der gleichzeitig den Spielraum für Investitionen in wachstums- und zukunftsorientierte Branchen, wie etwa jene der Erneuerbaren Energien, erheblich einschränkt.

Nicht wenige Unternehmen stehen in dieser Situation aber einem ganz anderen Problem gegenüber: Große (Rück-)Versicherungsgesellschaften oder Pensionsfonds verfügen auch heute über oft massive Mittel, über deren Verwendung sie freilich nicht völlig frei entscheiden können. Denn solche Gesellschaften haben die regelmäßige Verpflichtung, Erträge in Form von Versicherungs- und Pensionsleistungen auszuschütten. Diese Unternehmen müssen daher auf langfristige, ertragsstarke und jedenfalls sichere Veranlagungsformen setzen. Gerade solche sind in Zeiten einer weltweiten Banken- und Finanzmarktkrise aber mehr als rar geworden. Das Sicherheitsbedürfnis ist mittlerweile so groß, dass manche Staaten keine Zinsen mehr bezahlen, wenn sie auf dem weltweiten Kapitalmarkt Kredite aufnehmen, indem sie Staatsanleihen begeben, sondern sie bekommen sogar noch etwas dafür, wenn sie Anlegern ‘gestatten’, Geld im eigenen Land veranlagen zu ‘dürfen’. In dieser Situation befindet sich neben Deutschland zuletzt auch Österreich.

Zum „Sonnenangebot“

Einen Ausweg aus dieser ‘Anlagenot’ bieten die Erneuerbaren Energien und die damit verbundenen gesetzlichen Fördermodelle, wie etwa das deutsche Erneuerbare Energien Gesetz (‘EEG’) und das österreichische Ökostromgesetz (‘ÖSG’). Diesen Unternehmen muss es dabei gar nicht in erster Linie um die zahllosen Vorteile dieser Energieformen gehen, um die großen volkswirtschaftlichen Chancen, die wichtigen regionalpolitischen Effekte und die mit den Erneuerbaren stets einhergehenden Chance hoher (auch regionaler) Wertschöpfung. Es geht in erster Linie um die Planbarkeit und die Sicherheit von Investitionen bei Unternehmen, die sich kein spekulatives Vorgehen erlauben können, gleichzeitig ihren Kunden aber attraktive Versicherungs­leistungen und Pensionszahlungen bieten wollen. Unter diesen Voraussetzungen bieten sich Investitionen in Erneuerbare Energien an, weil sowohl das EEG als auch das ÖSG fixe Vergütungssätze für die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Quellen (etwa aus Wind, Photovoltaik und Biomasse) vorsehen und diese Vergütung zudem für einen langen Zeitraum garantieren (die Vergütungssätze nach dem EEG werden jeweils für die Dauer von 20 Kalenderjahren bereitgestellt, während das ÖSG eine Förderungsdauer zwischen 13 und 15 Jahren vorsieht).

Gesellschaften mit Investitionsbedarf wenden sich daher immer stärker den Erneuerbaren Energien zu und erkennen dabei das erhebliche Potential für eine sichere, aber auch plan- und kalkulierbare Veranlagung, das es so gegenwärtig auf dem weltweiten Kapitalmarkt kaum noch gibt. So hat die Münchner Rückversicherung kürzlich bekannt gegeben, drei britische Windparks für einen dreistelligen Millionenbetrag erworben zu haben. Der deutsche DAX-Konzern will mittelfristig 2,5 Mrd EUR in grüne Energien investieren und auch die deutsche Allianzversicherung hat bereits mehr als eine Mrd EUR für den Erwerb von etwa drei Dutzend Windparks und Solarkraftwerken in Deutschland, Frankreich und Italien aufgewendet.

Aber ist das auch fair? Diese Frage wird zunehmend aufgeworfen, wobei daran erinnert wird, dass die Ökostromförderung in Deutschland und Österreich letztlich durch den Steuerzahler, besser durch den Stromkunden bezahlt wird. Denn die Förderung solarer Energien, wie Wind, Wasser und Biomasse wird durch die Vorschreibung eines ‘Ökostromförderbeitrages’ (Österreich) bzw einer ‘EEG-Umlage’ (Deutschland) finanziert, die jeder Stromkunde zu tragen hat. Wenn nun also große Konzerne in ihrer ‘Anlagenot’ auf Investitionen in den Bereich der Erneuerbaren Energien zurückgreifen, werden sie eigentlich von der Allgemeinheit finanziert. Und das kann doch bitte nicht fair sein.

So einfach dieses Argument klingt, so kurzsichtig und falsch ist es, weil es nicht nur die grundsätzliche Zielsetzung europäischer Fördermodelle für die alternative Stromproduktion übersieht, es blendet auch alle volkswirtschaftlichen und umweltpolitischen Effekte solcher Investitionsanreizmodelle aus und entlarvt sich einmal mehr als Versuch, Erneuerbare Energien kleinzurechnen, anstatt sie zu zum Nutzen Aller zu fördern.

Denn Unternehmen, die Geld veranlagen wollen, werden das immer tun, schlicht deshalb, weil sie gar keine andere Möglichkeit haben. Sie sind dazu schon ihren Aktionären gegenüber verpflichtet, die auf Dauer kein Verständnis dafür hätten, würde das Unternehmen massive Geldmittel einfach brach liegen lassen. Würde man daher zum vermeintlichen Schutz der Stromkunden die Einspeisetarife für Erneuerbare Energien kürzen oder diese überhaupt streichen, würden weitere Investitionen in diese so wichtige Zukunftsbranche spürbar reduziert. Schnell würde sich die Frage stellen, in welchen Branchen diese Unternehmen ihr Geld veranlagen sollen und es bliebe dann nicht viel anderes übrig, als in andere Wirtschaftsbereiche auszuweichen. Würde es sich unter diesen Voraussetzungen rechnen und eine ähnliche Sicherheit und Planbarkeit gegeben sein, würden finanzstarke Unternehmen eben in die Genforschung, die Atomindustrie, andere Formen fossiler Energien oder in den Rüstungsbereich investieren. Jeder der sich aus den angeführten Gründen für eine Kürzung der Fördermodelle alternativer Energien einsetzt, muss sich die Kehrseite überlegen und für sich entscheiden, ob er das wirklich will.

Diese Überlegungen berücksichtigen zudem noch gar nicht die vielfältigen gesellschaftspolitischen, umwelttechni­schen und letztlich auch volkswirtschaftlichen Vorteile der Nutzung solarer, CO2 neutralerer Formen der Energiegewinnung, die bei einer Gesamtbetrachtung unbedingt einzubeziehen wären. Denn alle diese unbestrittenen Vorteile kommen wieder allen Menschen zugute und damit auch den Stromkunden, die zwar mit einem jährlichen Pauschalbetrag belastet, dafür aber mit einer nachhaltigen Energiepolitik, einer gesunden Umwelt und der Unabhängigkeit von ausländischen Energie­lieferanten belohnt werden.

Ausblick

Durch die garantierte Einspeisevergütung und die Festsetzung einer ebenso garantierten Förderdauer hat der österreichische und deutsche Gesetzgeber von Beginn an das Ziel verfolgt, Investoren neben einer Investitions- und Planungssicherheit auch interessante Renditemöglichkeiten zu eröffnen. Mit der Verwirklichung dieses Gedankens wurde eine Investorenautonomie geschaffen, die Raum und Entfaltungsmöglichkeiten für viele tausend Anlage­betreiber eröffnet hat. Wenn sich dieser Überlegung nun auch finanzstarke, weltweit agierende Versicherungs­unternehmen und Pensionsfonds anschließen und erhebliche Mittel in die Erneuerbaren Energien investieren, dann ist das keineswegs überraschend sondern entspricht der grundsätzlichen Zielsetzung der gesetzlichen Fördermodelle und ist daher sicher kein Grund, Förderungen zu kürzen oder gar einzustellen.

Die Frage, ob die bestehenden Fördermodelle für Erneuerbare Energien aus gesamtgesellschaftlicher Sicht ‘fair’ sind, ist daher klar zu bejahen. Mehr noch, sie sind zur Erreichung der unabdingbaren Energiewende, weg von fossiler/atomarer Energie, hin zu Erneuerbaren, heimischen und CO2-neutralen Energien, von denen alle Menschen in gleicher Weise profitieren, auch zwingend erforderlich. Durch die auf diese Weise dem Markt der Erneuerbaren Energien zufließenden Finanzmittel kommt es sogar – ganz wie vom Gesetzgeber intendiert – zu einer Beschleunigung der solaren Revolution, einer Optimierung der Produktion durch größere Stückzahlen, die Entstehung neuer Arbeitsplätze und eben auch zu einer rascheren Umsetzung der völligen Substitution aller fossilen und atomaren Energieträger.


Quellen:

Wallisch, ‘Der Sonnenstrom im Rechtssystem’, ÖZW 2011, 122;

Wallisch, ‘Die Förderung der Windenergie in Österreich und ihr Beitrag zum europäischen Klimaschutz", RdU 2012, 148;

Hinsch/Willenbacher, Kommunale Wertschöpfung durch Windkraft in Alt/Scheer, Wind des Wandels 151 f.

Weber, Windkraft für die Lebensversicherung, Die Presse 13.08.2012.


Autor Dr. Gert Wallisch ist Rechtsanwalt in der
Rechtsanwaltskanzlei Kunz Schima Wallentin Rechtsanwälte OG in Wien

GastautorIn: Dr. Gert Wallisch für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /