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AKW-Stresstest-Leaks: Lizenz für nukleare Freibeuter beenden

GLOBAL 2000-Analyse: Bericht zeigt Schwäche des Systems - unmittelbare Sicherheitsverbesserung nur durch Abschaltung riskanter Reaktoren

Gestern wurde durch ein Leak der Endbericht-Entwurf für die Europäischen AKW-Stresstests publik, der nächste Woche beim Treffen der Staats- und Regierungschefs in Brüssel vorgestellt werden soll.

GLOBAL 2000 hat den geleakten Bericht erhalten und analysiert: "Die AKW-Stresstests wurden der Bevölkerung auch von Umweltminister Berlakovich als mutige Sofortmaßnahme zur Überprüfung der Reaktorsicherheit nach Fukushima verkauft", sagt Dr. Reinhard Uhrig, Atomexperte von GLOBAL 2000. "Das ist ein grundsätzliches Missverständnis, wie der uns vorliegende Endbericht zeigt: Die Stresstests in dieser Form dienen nur der Auslotung von Sicherheitsmargen und der Verbesserung der Sicherheitskultur, können uns aber auf keinen Fall vor akut unsichere Reaktoren schützen oder Hochrisiko-AKWs stilllegen."

132 Reaktoren laufen noch in der EU, zwei weitere werden unter großen Schwierigkeiten in Litauen stillgelegt. Der Stresstest-Bericht zeigt, dass von diesen europäischen Nuklearanlagen nur 54 überhaupt inspiziert wurden - also weniger als die Hälfte.

Erschreckend ist, dass selbst die inspizierten und für Stress-resistent befundenen Anlagen nicht sicher sind, wie das Beispiel Doel-3 in Belgien vor Augen geführt hat: Die vier Reaktoren des Nuklearkomplexes wurden zunächst vom Betreiber rechnerisch begutachtet, dann von der nationalen Behörde analysiert und schließlich vom Stresstest-Inspektorenteam besichtigt - und für tauglich befunden. Eine wirkliche physische Überprüfung durch die belgische Nuklearaufsicht ergab Anfang August 2012, dass Reaktor 3 des Komplexes tausende Risse im Reaktordruckbehälter hat - und auf der Stelle stillgelegt werden musste. "Der Stresstest-Bericht geht zwar durchaus hart ins Gericht mit der Sicherheitskultur in europäischen Atomanlagen und empfiehlt eine Vielzahl von sinnvollen Verbesserungen im Umgang mit der Höllentechnologie Atomkraft", sagt Uhrig. "Vor verschlissenen und veralteten Reaktoren können die Stresstests uns aber nicht bewahren, wie das Beispiel Doel eindrücklich zeigt."

GLOBAL 2000 fordert die Europäischen Regierungschefs auf, endlich ein wirkliches Mandat zur Verbesserung der nuklearen Sicherheit zu erteilen und nicht durch groß aufgebauschte "Stresstests" vom eigentlichen Problem der nuklearen Unsicherheit abzulenken: "Der Europäische Rat am 18. und 19. Oktober kann harte Sicherheitskriterien für Nuklearanlagen erstellen lassen wie z. B. Anforderungen an die Reaktor-Schutzhülle - und auf Basis dieser harten Kriterien alle Anlagen sofort stilllegen lassen, die diese Sicherheitsvorschriften nicht erfüllen", fordert Uhrig. "Nur durch die sofortige Stilllegung von unsicheren Reaktoren kann die Sicherheit verbessert werden, nicht durch die Nachrüstung bestehender Alt-AKWs in unbestimmter Zukunft: Das ist so, als ob mein Auto beim Pickerl durchfällt, weil die Bremsen verschlissen sind und der Motor jederzeit explodieren kann - ich aber weiterfahren darf und die Mängel erst irgendwann reparieren soll."

GLOBAL 2000 hat zusammen mit vielen europäischen Partnerorganisationen das Europäische Volksbegehren zu nuklearer Sicherheit "My voice against nuclear power" gestartet, das die sofortige Stilllegung der identifizierten Hochrisiko-Reaktoren und eine Gleichbehandlung von Atomkraft mit anderen Energieformen in Bezug auf Versicherung des enormen Risikos und Brennstoff-Steuern fordert. In einem ersten Schritt hat die EU-Kommission sich für nicht zuständig erklärt, da diese Bereiche durch den Parallel-Vertrag EURATOM behandelt würden. "Wir fordern die EU auf, endlich Verantwortung für die Bevölkerung zu übernehmen, die Stimme der Menschen ernst zu nehmen, das Volksbegehren zuzulassen und endlich Atomkraft als das zu sehen, was sie ist: eine hochgefährliche Energiequelle, die viele bedroht und von der wenige profitieren", sagt Uhrig abschließend.

Link: www.my-voice.eu



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Weitere Infos: Global2000
GastautorIn: Lydia Matzka-Saboi/Nunu Kaller für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /