© Gruppe "bewusst.nachhaltig", Agenda 21 Plus, Wien Alsergrund
© Gruppe "bewusst.nachhaltig", Agenda 21 Plus, Wien Alsergrund

Zu Fuß durch Wien: Von Fußwegenetzen und vernetzten Orten

FußgängerInnenbeauftragte der Stadt Wien zu Gast bei der Agenda 21 Plus, Wien Alsergrund

Am 20.11.2012 referierten Vertreter der Gruppe ‘bewusst.nachhaltig’ der Agenda 21 Plus über Konzepte für den 01. Wiener Bezirk, die bis zu einem vollkommen autofreien Bezirk reichten. Weitere Schwerpunkte waren Informationen über die Aktivitäten der Agenda 21 im 09. Bezirk in den letzten Jahren (CarSharing, Leihrad, Mobilitätskarte, Vortrags- und Diskussionsreihe,...,) und Entwicklungen im 8. und 9. Bezirk im Zusammenhang mit der Rückeroberung des öffentlichen Raums. Dazu wurden zahlreiche vorher/nachher Bilder präsentiert.

Entwicklungen in Wien bis Mitte der 1980er Jahre, Zürich und London heute

Bis Mitte der 1980er Jahre wurden in Wien diverse Straßen und Plätze für den Menschen, der in erster Linie ein Fußgänger ist, zurück erobert. Genau dort setzten seit einigen Jahren Städte wie London und Zürich an. In der britischen Hauptstadt gibt es Projekte, wie die ‘lesbare Stadt’, walk london oder ‘Zu Fuß zur Schule’ . In Zürich wurden Strategien bis 2025 oder u.a. die "Regionale Entwicklungsstrategie" entwickelt, mit der beispielsweise Quartiere für Fußgänger sowie Radfahrer zurückerobert werden sollen. In der Innenstadt werden mit jedem Neubau von Garagen parkende Autos von der Oberfläche entfernt. Bei der Errichtung von Wohngebäuden sind autofreie Siedlungen möglich. Bei gut erschlossenen Quartieren mit öffentlichem Verkehr wird die Anzahl der Stellplätze für Autos stark reduziert. Die Vertreter der Gruppe forderten die Einfrierung des Parkpickerls in Wien als nächsten Schritt. Aus dem Publikum kam die Forderung nach dem Nachweis eines Stellplatzes bei Neuanmeldung eines Autos. Im Zusammenhang mit der Planung neuer Fußwegenetze und vernetzter Orte wurde auf Studien aus der Vergangenheit zum Thema ‘Öffentlicher Raum. Neuinterpretation’ aufmerksam gemacht, deren Inhalte immer noch auf eine Umsetzung warten. Dazu müssten, genau wie in London, ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden.

ÖV, Fußgänger, Radfahrer und an letzter Stelle Autos

Aus Sicht der Gruppe ist es auch im Hinblick auf andere Städte erforderlich, dass Beamte in Wien in der Reihenfolge Öffentlicher Verkehr, Fußgänger, Radfahrer und erst an letzter Stelle Autos, denken und planen. Nicht nur heute sondern auch in der Vergangenheit, konkrekt am Beispiel des Vorschlages Wohnstraßenzone in Lichtental, brachten Beamte der MA 46 im Jahr 2010 einen aus Sicht der Fußgänger guten Vorschlag leider zu Fall. Generell sollte bei Planungen der menschlicher Maßstab d.h., die Geschindigkeit des Menschen als Fußgängers, der sich mit rund 5 km/h bewegt, im Vordergrund stehen und 2,50 m als Mindestmaß für Gehwege betrachtet werden. Der öffentliche Raum sollte allen Menschen, egal ob jung, alt, arm, reich, agil oder körperlich eingeschränkt zur Verfügung stehen. Es sollte Schleichwege und Abkürzungen für Fußgänger geben und damit Aufwertungen in der gesamten Stadt. Parkplätze sollten von der Oberfläche entfernt und in Garagen verlagert werden (Äquidistanz öffentlicher Verkehr und Auto ) sowie der freiwerdende Raum für den Menschen zurück erobert werden.

Diskussion mit DI Petra Jens sowie DI Dr. Harald Frey

Nach dem Referat fand eine rege Diskussion mit DI Petra Jens, DI Dr. Harald Frey und dem Publikum statt.

Frey meinte, dass Wien in den 1970er Jahren progressive Maßnahmen für den öffentlichen Raum setzte. Konzepte für nachhaltige Mobilität wurden nicht nur für den 01. Bezirk entwickelt. Allerdings wurden, bedingt durch den U-Bahn-Bau, keine Rückbauten an der Oberfläche zulasten des Autos vorgenommen. Dies zeigen z.B. die Prater- oder die Landesgerichtsstraße. Verblieben sind in Summe kleine Maßnahmen für den Fußgänger. Allerdings wurde im Denken der Planungen der letzten Jahre der Fußgänger komplett vernachlässigt, obwohl Fußwegenetze zum täglichen Leben gehören (Einkaufen, Schulwege,... ). Auch die Wiener Linien sieht Frey in der Pflicht, Oberflächen für die Fahrgäste zu planen, die ja auch Fußgänger sind. Auch hier gibt es aktuelle Beispiele, wo ‘Schnitzer’ zulasten der Fußgänger passiert sind (an der U2 – Verbetonierung des Umfelds, beim Ausbau der Tram in der Tokiostraße,...). Planungsfehler gibt es auch am Ring, z.B. am Burgtor, oder beim Alten AKH (Spitalgasse).

In Sachen Parken fordert Frey die Umsetzung des Äquidistanzkonzeptes sowie den Rückbau von Stellplätzen auf Gehwegen. Dafür sind mutige Bezirkspolitiker notwendig. Umlaufzeiten von Ampeln sollten für Fußgänger optimiert werden. Im unterrangigen Netz sollte der Rückbau von LSA geprüft werden.

Als wesentlich für ein Umdenken in Richtung Fußgänger bezeichnete DI Jens die Kommunikation. Sie verwies dazu auf die Bilder des Vortrags, die über den Wandel in Wien informierten. In der Kette der Information müssen auch die Bezirkspolitiker berücksichtigt werden (Fußwegenetze sind wichtig und bringen etwas,.. ). Leider zeigen einige Beispiele, dass für manche u.a. Parkplätze wichtiger sind als anderes. Wichtig ist, die Verkehrsteilnehmer nicht gegeneinander aufzubringen, sondern bewusst zu machen, dass alle auch gleichzeitig Fußgänger sind.

Jens bemängelte die Verbauung der Gehwege mit Pollern oder Schildern, die doch eher für die Fahrbahn gedacht seien.


Artikel Online geschaltet von: / wabel /