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Deutschland: Hindernisse für die Energiewende?

Erneuerbare Energien dürfen nicht abgewürgt werden. Will Altmaier die Strompreisdebatte zur Aushöhlung des EEG missbrauchen?

Berlin- Die Vorschläge des deutschen Bundesumweltministers Altmaier sorgen für Empörung in Deutschland. Er will mit einer Deckelung, die er "Strompreis-Sicherung" nennt, die Erneuerbaren Energien deckeln.

‘Wenn Bundesumweltminister Altmaier den Missstand beseitigen will, dass stromintensive Unternehmen bei der EEG-Umlage die Biege machen, dann hat er unsere volle Unterstützung. Seine Vorschläge zum Abwürgen der Energiewende hingegen werden auf unseren entschiedenen Widerstand treffen. Eine Aushöhlung des erfolgreichen Erneuerbare-Energien-Gesetzes darf es nicht geben’, sagte BUND-Vorsitzendre Hubert Weiger zu den Vorschlägen zur Umverteilung der Kosten für den Ausbau der Erneuerbaren Energien.
Weiger forderte Altmaier auf, die geplante Deckelung des Ausbaus der erneuerbaren Energien zurückzunehmen. Zwar müsse die Förderung für erneuerbare Energien überprüft werden, erhalten werden müsse jedoch deren Ausbaudynamik. ‘Wer die Investitionssicherheit in der Erneuerbare-Energien-Branche gefährdet, gefährdet das Energiewende-Projekt insgesamt’, sagte der BUND-Vorsitzende.

Die große Mehrheit der Deutschen wolle eine Energiewende weg von der riskanten Atomkraft und weg von klimaschädlichen Kohlemeilern, sagte Weiger. Die Kosten dafür müssten jedoch fair verteilt werden. ‘Altmaier darf die Strompreisdebatte nicht missbrauchen, um das Ausbautempo der erneuerbaren Energien zu bremsen’, sagte der BUND-Vorsitzende. Hingegen sei es die Aufgabe des Bundesumweltministers, weitere Industrieprivilegien auf den Prüfstand zu stellen, forderte Weiger. ‘Privilegien für energieintensive Industriebranchen senden verheerende Signale aus. Je höher der Energieverbrauch, desto weniger muss sich ein Unternehmen um Energieeinsparungen und Klimaschutz kümmern.’ Ausschließlich größeren Stromverbrauchern komme auch der wegen des Ausbaus der erneuerbaren Energien sinkende Strompreis an der Strombörse zugute. Allein im zurückliegenden Jahr sparte ein im Erneuerbare-Energien-Gesetz begünstigtes Unternehmen bei seinen Stromkosten deshalb im Durchschnitt fast eine Million Euro. Zu allem Überfluss habe die Bundesregierung auch noch den Großverbraucher-Rabatt bei der Ökosteuer verlängert, der eigentlich 2012 auslaufen sollte.

Der Bundesverband Solarwirtschaft ist ebenfalls schockiert: "Diese Initiative ist weder mehrheitsfähig noch praktikabel. Wer die Energiekosten begrenzen möchte, darf nicht die Energiewende ausbremsen, sondern muss einen schnellen Umstieg auf Erneuerbare Energien sicherstellen. Altmaiers Vorstoß reduziert die Planbarkeit und Verlässlichkeit für Investitionen in die Energiewende und greift massiv in den Bestands- und Vertrauensschutz ein.
Die Investition in Erneuerbare Energien zahlen sich aus, zum Nulltarif sind sie aber nicht zu haben. Wer die Investitionen jetzt einfriert, wird die Energiewende deutlich drosseln.

Anstatt die Schlupflöcher bei der Finanzierung der Energiewende zu schließen, sollen mit dem vorgeschlagenen ‘Energie-Soli’ ausgerechnet die Treiber der Energiewende, Millionen Betreiber von Solar-, Wind- und Bioenergien-Anlagen, im Nachhinein zur Kasse gebeten werden. Dies ist absurd und zudem juristisch fragwürdig.

Außerdem wäre dies das gänzlich falsche Signal für Neuinvestoren, die zusätzlich durch das geplante Einfrieren der EEG-Umlage verunsichert werden. Bürger, die die Energiewende selbst in die Hand nehmen, in dem sie den auf ihrem Dach erzeugten, sauberen Strom selbst verbrauchen, dürfen dafür nicht bestraft werden.

Anstatt die Betreiber von Solar- und Windanlagen zur Kasse zu bitten, müsste die Finanzierung der Energiewende endlich wieder auf breitere Schultern verlagert werden. So müsste die industrielle Eigenstromerzeugung auf der Basis fossiler Energien, der die Umwelt belastet, stärker bei der Finanzierung der Energiewende eingebunden werden. Gleichzeitig muss das Industrieprivileg begrenzt werden, über das erhebliche Lasten von der Industrie auf die Bürger verlagert wurden. Die Befreiung von der EEG-Umlage muss zukünftig auf diejenigen Unternehmen begrenzt bleiben, die tatsächlich im internationalen Wettbewerb stehen.

Altmaiers Vorstoß reduziert Planbarkeit und Verlässlichkeit für Investitionen in die Energiewende, ohne die wahren Probleme des Energiemarkts zu lösen. Zum Beispiel das Paradox, dass mehr regenerativ erzeugter Strom aufgrund des höheren Angebots zwar den Preis auf dem Strommarkt senkt, der niedrigere Börsenpreis jedoch zu einer höheren Umlage für Erneuerbare-Energien führt und damit zu höheren Strompreisen für Kunden – dieser Systemfehler wird nicht angegangen.

Der Bundesumweltminister hatte im Herbst 2012 einen breiten Dialog zur Weiterentwicklung des EEG gestartet, jetzt sollen – ohne, dass die Ergebnisse dieses Dialoges vorliegen, Fakten geschaffen werden.

Gutachten des Bundesumweltministeriums und der Prognos AG haben in den vergangenen Wochen wiederholt darauf hingewiesen, dass auch ein weiterer kraftvoller Ausbau der Photovoltaik kein Kostentreiber ist. Selbst bei anhaltend starkem Zuwachs der Solarstromerzeugung auf dem Niveau der zurückliegenden drei Jahre würde dies in den nächsten Jahren nur einen Anstieg des Strompreises von einem Prozent rechtfertigen."
Ronny Meyer, Geschäftsführer der Windenergie-Agentur WAB meint: "Die heute von Minister Altmaier vorgelegten Vorschläge greifen direkt die Investitionssicherheit für die Erneuerbaren Energie an. Insbesondere der flexible Zahlungsbeginn und die rückwirkende Vergütungskürzung für Bestandsanlagen zerstören das Vertrauen in eine auf erneuerbare Energien ausgerichtete Energiepolitik. Damit verschreckt die Politik die für die Energiewende wichtigen Investoren.

Das von Minister Altmaier vorgelegte Papier führt die einseitige Kostendiskussion zu Lasten der Erneuerbaren Energien fort. Die Vorschläge reduzieren die Energiewende einzig und allein auf das Kostenargument. Schon der Titel des Papiers ist irreführend, da es nicht um eine Deckelung der Strompreise geht, denn der vergangene Anstieg des Haushaltsstrompreises war weitgehend vom Anstieg der EEG-Umlage entkoppelt.

Hier geht es um eine Deckelung der Erneuerbaren Energien - eine ernstgemeinte Energiewende sieht anders aus! Die Politik muss eine faire Debatte über Strompreise führen, die der Konkurrenz mit abgeschriebenen Altkraftwerken und den wahren Kosten der konventionellen Stromerzeugung Rechnung trägt."

Der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe e. V. (DUH), Michael Spielmann, sagt: ‘Bei Peter Altmaiers Vorschlägen handelt es sich um einen untauglichen Versuch, die kostentreibenden Fehler der schwarz-gelben Bundesregierung bei der Gestaltung der Energiewende mit neuen untauglichen Maßnahmen zu heilen. Im Kern liefe die Realisierung der Vorschläge mindestens auf eine Entschleunigung der Energiewende hinaus, weil sie Investitionen in Erneuerbare Energieanlagen unattraktiver und unsicherer macht. Es ist absehbar, dass Banken sehr zurückhaltend reagieren werden, wenn Investoren künftig keine gesicherte Vergütungshöhe für ihre projektierten Erzeugungsanlagen mehr vorweisen können. Genau darauf laufen aber der flexibilisierte Zahlungsbeginn und die Deckelung die Vergütungshöhe hinaus. Der ‘EEG-Soli’, der von Betreibern von Bestandsanlagen erhoben werden soll, bedeutet nichts anderes als eine rechtlich fragwürdige nachträgliche Vergütungskürzung.

Hinter Altmaiers angeblicher Notbremse gegen steigende Strompreise verbirgt sich in Wirklichkeit ein erneutes Bremsmanöver gegen die Dynamik der Energiewende. Die Vorschläge liegen damit auf einer Linie mit den Plänen der Bundesregierung zur Begrenzung des Zubaus von Photovoltaik- und Windenergieanlagen im vergangenen Jahr. Auch Altmaiers erst drei Monate zurückliegendes Versprechen, bei der – auch aus Sicht der DUH – notwendigen Reform des Erneuerbare Energien Gesetzes (EEG) auf ‘Schnellschüsse’ zu verzichten, ist mit seinem heutigen Auftritt Makulatur. Nicht nur der Bundeswirtschaftsminister, auch der Bundesumweltminister steht offensichtlich nicht mehr zu der Energiewende, die er selbst mit beschlossen hat.

Um die Strompreise für bedürftige Haushalte, die von Grundsicherung, Hartz IV oder BaFöG leben, zu senken, wäre ein Ausgleich aus Steuermitteln wie er in der Vergangenheit etwa bei den Heizkosten gewährt wurde, das Mittel der Wahl. Das DIW hat kürzlich vorgerechnet, dass dies mit Kosten für die Staatskasse verbunden wäre, die nicht annähernd die Mehrwertsteuereinnahmen aus der EEG-Umlage erreichen würden. Durchschnittshaushalte zahlen im Jahr 2013 etwa 2,5 % ihrer Konsumausgaben für Strom und etwa 0,5 % für die EEG-Umlage, deren Höhe zudem nur zu einem Bruchteil auf den Zubau Erneuerbarer Energieanlagen zurückzuführen ist. Auch ganz ohne staatliche Eingriffe in das EEG wird es vergleichbare Steigerungen der EEG-Umlage in den kommenden Jahren laut allen seriösen Prognosen in den kommenden Jahren nicht mehr geben. Es gibt in der Sache keine Notwendigkeit, in Hektik zu verfallen.

Die DUH begrüßt die heute wiederholte Ankündigung Altmaiers zur Reduzierung der Industrieentlastungen bei den Strompreisen und bei der Strom-Eigenproduktion. Für den Erhalt der Akzeptanz der Energiewende in der Bevölkerung ist hier ein entsprechendes Signal überfällig. Gleichlautend hatte sich Ende letzten Jahres allerdings auch schon die Bundeskanzlerin geäußert, ohne dass sich dies in der Genehmigungspraxis bei entsprechenden Anträgen aus der Industrie bisher niedergeschlagen hat.’

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Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /