© GEA- Heini Staudinger steht im Fokus der FMA
© GEA- Heini Staudinger steht im Fokus der FMA

Ein neues Gesetz für die Bürger

Heini Staudinger, Rebell gegen die Finanzmarktaufsicht (FMA), hat genug- nun schreibt er sogar ein Gesetz

Heini Staudinger, erfolgreicher Schuhmacher aus dem Waldviertel (GEA-Schuhe und Möbel), hat sich, um sein Geschäft ausbauen zu können, mehr als drei Mio. Euro von Kunden und Freunden geborgt. Das ist ein unerlaubtes Bankgeschäft, meint die FMA und will dies unterbinden, Staudinger gibt nicht klein bei: Seine Aktivitäten sorgen seit Monaten für Schlagzeilen, er will bei einer Strafe von Seiten der Finanzmarktaufsicht sogar ins Gefängnis gehen, obwohl es beim Verfassungsgericht eine erste Niederlage gab: Sein Antrag auf aufschiebende Wirkung ist abgelehnt worden.

Nun hat er, gemeinsam mit seinem Bruder Karl Staudinger, der Jurist ist, und seinem Freund Dr. Markus Distelberger, der Rechtsanwalt ist, einige Monate an einem Gesetzes-Entwurf gebastelt, dem "BürgerInnen-Direktdarlehensgesetz 2013" das nun der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Ziel: eine Änderung des Bankwesengesetzes und eine Änderung des Kapitalmarktgesetzes.


Die wesentlichen Details des Vorschlags:

Geldbeschaffung soll bis zu einer Obergrenze von 5 Millionen Euro (lt. Präferenz der EU) ohne Bankenkonzession oder eine Prospektpflicht möglich sein.

Damit Darlehensnehmer wissen, was sie tun, sollen sie unterschreiben, dass ihnen das Risiko bekannt ist und das daher der Anlegerschutz nicht greift.

Der Darlehensnehmer soll regelmäßig über wirtschaftliche Gegebenheiten Auskunft geben müssen.

Erleichterungen soll es außerdem für Gemeinden und karitative Organisationen geben.

ALLE DETAILS:

Vorschlag für ein BürgerInnen-Direktdarlehensgesetz 2013

Im Dezember des Vorjahres haben wir der Präsidentin des Nationalrates unsere parlamentarische Bürgerinitiative zur allgemeinen Freiheit der Kreditgewährung überreicht. Seither wurde das Thema in mehreren öffentlichen Diskussionen – insbesondere beim Verein für Konsumenteninformation und bei Enqueten der parlamentarischen Klubs von SPÖ und Grünen – intensiv diskutiert, wobei erkennbar wurde, dass der Reformbedarf in diesem Bereich erkannt worden ist. In einzelnen Punkten zeichnet sich zwischen maßgeblichen Abgeordneten von SPÖ, ÖVP und Grünen eine übereinstimmende Meinungsbildung ab.

In dieser Situation möchten wir einen Impuls geben und die Diskussion durch einen konkreten Gesetzesvorschlag vorantreiben mit dem Ziel, eine Beschlussfassung noch in dieser Gesetzgebungsperiode - dh spätestens Anfang Juli - zu erreichen.

Unser Gesetzentwurf wird an einen breiten Personenkreis - von den betroffenen Initiativen über die Legistikabteilungen der zuständigen Ministerien, die Interessenvertretungen, die Länder, die kommunalen Verbände und die Universitätsinstitute der entsprechenden Fachrichtungen - versendet. Wir sind überzeugt und hoffen, dabei Verbesserungs- und Korrekturvorschläge zu erhalten und werden dem Petitions- und Bürgerinitiativen- sowie dem Finanzausschuss die Ergebnisse dieser Begutachtung zur Verfügung stellen.

Wir freuen uns auf eine intensive Diskussion!

Heini Staudinger
RA Dr. Markus Distelberger
Dr. Karl Staudinger



PS: Stellungnahmen erbeten bis 9. April 2013 an buergerinitiative@gea.at

Vorblatt

Problem

In den letzten Jahren ist eine neue Form des zivilgesellschaftlichen Engagements entstanden: Immer mehr Menschen betrachten ihre frei verfügbaren finanziellen Mittel als Möglichkeit, sich an Projekten zu beteiligen, die sie für sinnvoll und wichtig halten: Sie finanzieren in Form von Darlehen etwa die Non-Profit-Organisation ’Jugend eine Welt”, die HELIOS-GmbH, die die Energiewende im Bezirk Freistadt umsetzt, ein Photovoltaik-Projekt der Gemeinde Randegg, die FairTrade Firma EZA und die Firma GEA, die nach einer Kürzung des Kreditrahmens durch die Bank völlig bankenunabhängig mit der finanziellen Unterstützung von Kunden und Freunden in der Krisenregion Waldviertel mehr als 100 zusätzliche Arbeitsplätze schaffen konnte. Die Finanzmarktaufsicht sieht in Darlehen dieser Art konzessionspfichtige Bankgeschäfte.

Ziele des Gesetzesvorhabens


Ziel des Gesetzes ist die Herstellung eines klaren rechtlichen Rahmens für Finanzierungsformen außerhalb des Finanzsektors.

Inhalt/Problemlösung


Der vorliegende Gesetzentwurf befreit die Entgegennahme von Einlagen (BürgerInnen-Direktdarlehen) durch Unternehmen, deren Unternehmensgegenstand keine Bankgeschäfte umfasst, sowie durch gemeinnützige Organisationen von der Konzessionspflicht nach dem Bankwesengesetz und erweitert die Ausnahmen von der Prospektpflicht im Kapitalmarktgesetz.

Kosten

Die vorgeschlagenen gesetzlichen Regelungen werden bewirken, dass wirtschaftliche Aktivitäten, deren Finanzierung durch Bankkredite ausgeschlossen ist. Wie sich an den von der FMA verfolgten Fällen zeigt, werden im Wege von Direktdarlehen viele Initiativen finanziert, die ohne solche Darlehen wirtschaftlich nicht ’auf die Beine” kommen würden. Es ist daher davon auszugehen, dass ein Beschluss des BürgerInnen-Direktdarlehensgesetzes in gewissem Umfang zu einer wirtschaftlichen Belebung führen und damit einnahmensseitig positive Auswirkungen auf den Staatshaushalt haben wird.

Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union

Der Gesetzentwurf berührt den Anwendungsbereich der Richtlinie über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (CELEX 32006L0048) und der Richtlinie betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist (CELEX 32003L0071). Die vorgeschlagenen Änderungen des Bankwesengesetzes werden durch Artikel 5 Abs.2 der Kreditinstituts-Richtlinie, die vorgeschlagenen Änderungen des Kapitalmarktgesetzes durch Artikel 1 Abs.2 lit.h in der Fassung der Richtlinie 2010/73/EU gedeckt.

Erläuterungen

Allgemeiner Teil

In Randegg/NÖ organisiert die Gemeinde ein Photovoltaik-Projekt und sammelt das dafür erforderliche Geld in Form von Darlehen von interessierten und engagierten BürgerInnen. Im Bezirk Freistadt/OÖ realisiert die HELIOS Sonnenstrom GmbH, eine Tochter des Vereins ’Energie Bezirk Freistadt” die Errichtung von Photovoltaik-Anlagen auf den Dächern aller öffentlichen Gebäude des Bezirks und sammelt das Geld dafür in Form von Sonnenbausteinen bei BürgerInnen, denen die Energiewende ein Anliegen ist. Das FairTrade Handelsunternehmen EZA nimmt Darlehen seiner Kunden, die sich dem Unternehmensziel des fairen Handels verbunden fühlen, in Anspruch, um Finanzierungskosten zu sparen. Die NGO ’Jugend eine Welt” finanziert mit zinsenlosen Darlehen ihrer UnterstützerInnen Projekte für Jugendliche in Ländern der Dritten Welt. Dem Unternehmen GEA gelingt es, nach einer willkürlichen Kürzung des Kreditrahmens durch die Bank bankenunabhängig zu werden und die eigene Entwicklung mit Darlehen von KundInnen, Verwandten und FreundInnen zu finanzieren. Ergebnis: Steigerung der Beschäftigtenzahl in der Krisenregion Waldviertel von 30 auf 130.

Allen diesen Fällen ist gemeinsam, dass die Entgegennahme der Darlehen von der Österreichischen Finanzmarktaufsicht (FMA) als gewerbliches Einlagengeschäft bewertet wird, das nur mit einer Bankkonzession betrieben werden darf. Zur rechtlichen Sanierung ihres Finanzierungsmodells hat die FMA den genannten Institutionen bzw. Einrichtungen vorgeschlagen: Ein Sale and Lease Back Modell, die Unterzeichnung einer Nachrangigkeitserklärung durch die DarlehensgeberInnen, die Begebung einer Anleihe, die Gründung einer Genossenschaft.

Die genannten Lösungsvorschläge sind unpraktikabel: Bei einer Sale and Lease Back Konstruktion tritt anstelle eines einfachen und leicht verständlichen Darlehensvertrages eine komplizierte und schwer verständliche Vertragskonstruktion, die das vorhandene BürgerInnen-Vertrauen eher schwächt als stärkt. Die Nachrangigkeitserklärung wird von den DarlehensgeberInnen nicht als Anlegerschutz empfunden und ist es wohl auch nicht. Die Begebung einer Anleihe ist ebenfalls komplizierter als der einfache Darlehensvertrag und darüber hinaus prospektpflichtig, wenn mehr als 100.000 Euro gesammelt werden sollen und ein Publikum von mindestens 150 Personen angesprochen wird. Ein Prospekt verursacht Kosten, die in der Regel das ganze Finanzierungsmodell unwirtschaftlich machen. Die Gründung einer Genossenschaft ist in vielen Fällen ein zu großer organisatorischer Aufwand.

Die Rechtsansicht der FMA wird derzeit vor dem UVS und dem Verfassungsgerichtshof bekämpft. Unabhängig davon, wie diese Verfahren ausgehen, besteht gesetzgeberischer Handlungsbedarf:

Der Gesetzentwurf zielt auf eine Erweiterung des Bereichs konzessionsfreier Einlagengeschäfte, indem eine Grenzziehung zwischen Unternehmen, die die Durchführung von Bankgeschäften zum Gegenstand haben, und Unternehmen, bei denen dieses nicht der Fall ist, getroffen wird. Letztere sollen die Möglichkeit haben, unter Einhaltung der dafür im Entwurf vorgesehenen und dem Schutz der AnlegerInnen dienenden Informationspflichten Einlagen (BürgerInnen-Direktdarlehen) konzessionsfrei entgegenzunehmen. Die Missachtung dieser Bestimmungen hat den Wegfall der Ausnahmeregelung zur Folge und wäre entsprechend der bisherigen Bestimmungen durch die FMA zu sanktionieren.

Eine dahingehende Änderung des Bankwesengesetzes ist auf der Grundlage des Artikels 5 Abs.2 der EU-Kreditinstituts-Richtlinie unionsrechtlich zulässig, sofern gleichzeitig Regelungen zum Schutz von AnlegerInnen erlassen werden.

Dies erscheint auch verfassungsrechtlich sinnvoll: Die Bindung der in den eingangs geschilderten Fällen gewährten Darlehen an eine Bankenkonzession erscheint aus der fehlenden Beeinträchtigung der Schutzgüter des Bankenaufsichtsrechts - nämlich der Stabilität des Finanzmarktes und der Funktionsfähigkeit des österreichischen Bankwesens - als unverhältnismäßiger Eingriff in die Freiheit der DarlehensgeberInnen, ihr Geld für Zwecke einzusetzen, die ihnen sinnvoll erscheinen. Im Gegenteil: In allen genannten Fällen gründet sich die Gewährung von Darlehen auf eine bessere Kenntnis der jeweiligen Weise der Fall ist, und in aller Regel ist das erforderliche Vertrauen bei diesen Geschäften besser begründet als bei der Begebung von Anleihen auf der Grundlage eines bewilligten Prospekts.

Die beschriebenen Finanzierungsmodelle sollten daher Regelungen des Anlegerschutzes unterworfen werden, die ihren besonderen Gegebenheiten angemessen sind.

Eine Verletzung dieser Bestimmungen hat zur Folge, dass die Befreiung von der Konzessionspflicht für die betreffenden Darlehensverträge entfällt und die FMA entsprechende Strafen zu erlassen bzw. Anordnungen zu treffen hätte.

Im Bereich des Kapitalmarktgesetzes (KMG) wird eine Erweiterung der Ausnahmen von der Prospektpflicht vorgeschlagen, die den unionsrechtlich vorgegebenen Rahmen von 5 000 000 Euro vollständig ausschöpft. Im Bereich von Wertpapieren und Veranlagungen zwischen 100 000 Euro (die bereits bisher prospektfrei begeben werden können) und 5 000 000 Euro sollen Emittenten beim Vertragsabschluss und während der Laufzeit besonderen Informationspflichten unterliegen, die im wesentlichen den bereits beschriebenen Anlegerschutzbestimmungen im Bereich der Entgegennahme von Darlehen entsprechen.

Besonderer Teil

Zu Artikel I Z.1

Die angestrebte gesetzliche Klarstellung der Zulässigkeit der Aufnahme von Darlehen bei BürgerInnen erfolgt durch eine Bestimmung, die zwischen Unternehmen unterscheidet, deren Unternehmensgegenstand die Durchführung von Bankgeschäften ist, und Unternehmen, bei denen dies nicht der Fall ist. Letztere können – vereinfacht gesprochen – als Unternehmen der Realwirtschaft bezeichnet werden. Nehmen sie von BürgerInnen Darlehen auf, soll diese Darlehensaufnahme durch die vorgeschlagene Bestimmung ohne Bankenkonzession möglich sein, sofern die entgegengenommenen Gelder für betriebliche Investitionen und andere betriebliche Finanzierungserfordernisse verwendet werden. Eine Verwendung der Darlehen zur Kreditvergabe soll damit ausgeschlossen werden.

Darlehen dieser Art müssen unter Einhaltung der Bestimmungen des vorgeschlagenen § 3a, der Informationspflichten zum Schutz der AnlegerInnen festlegt, aufgenommen werden.

Unionsrechtlich stützt sich diese Regelung auf den zweiten Absatz des Artikels 5 der Richtlinie über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute. Artikel 5 dieser Richtlinie lautet:

Artikel 5

Die Mitgliedstaaten untersagen Personen oder Unternehmen, die keine Kreditinstitute sind, die Tätigkeit der Entgegennahme von Einlagen oder anderen rückzahlbaren Geldern des Publikums gewerbsmäßig zu betreiben.

Von Absatz 1 ausgenommen ist die Entgegennahme von Einlagen oder anderen rückzahlbaren Geldern durch einen Mitgliedstaat, durch Gebietskörperschaften eines Mitgliedstaats oder durch öffentliche internationale Einrichtungen, denen ein oder mehrere Mitgliedstaaten angehören, sowie für die in den nationalen und gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften ausdrücklich genannten Fälle, sofern diese Tätigkeiten Regelungen und Kontrollen unterworfen sind, die den Schutz von Einlegern und Anlegern bezwecken und auf diese Fälle anwendbar sind.
(CELEX 32006L0048)

Zu Artikel I Z.2

§ 3 BWG listet Institutionen und Einrichtungen auf, auf die das Bankwesengesetz keine Anwendung findet. Die Gemeinden sind bisher in dieser Liste in jenem Umfang enthalten, als sie aufgrund bundes- oder landesgesetzlicher Ermächtigung Kredite oder Darlehen mit Förderungscharakter vergeben.

Es erscheint sinnvoll, diese Ausnahme auszuweiten und Gemeinden die Aufnahme von Direktdarlehen bei BürgerInnen auch zur Finanzierung kommunaler Projekte zu ermöglichen, sofern die Anlegerschutzbestimmungen des neu zu schaffenden § 3a eingehalten werden.

Zu Artikel I Z.3

Von der Anwendung des Bankwesengesetzes sollen auch Einrichtungen ausgenommen werden, die mit ihrer Tätigkeit ausschließlich gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke im Sinne der §§ 34, 36 und 38 der Bundesabgabenordnung verfolgen, wobei die Ausnahme nur für den Bereich der Aufnahme von Darlehen bei BürgerInnen gelten soll und die Anlegerschutzbestimmungen des neu zu schaffenden § 3a einzuhalten sein sollen.

Zu Artikel I Z.4

Der neu zu schaffende § 3a enthält Informationspflichten, die DarlehensnehmerInnen so weit als möglich vor Irrtümern und Fehleinschätzungen schützen soll.

Die in Schriftform abzuschließenden Verträge haben einen ausdrücklichen Hinweis zu enthalten, dass die Darlehensbeträge keiner staatlichen Einlagensicherung unterliegen (§ 3a Z.1).

In den Verträgen ist ausdrücklich festzuhalten, ob und gegebenenfalls wie die Darlehensforderung besichert wird. (§ 3a Z.2)

Der Darlehensnehmer hat sich im Darlehensvertrag zu verpflichten, dem Darlehensgeber jährlich Informationen zu übermitteln, die eine Beurteilung seiner Fähigkeit zur Erfüllung seiner Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag ermöglichen. Ausdrücklich nennt die geplante Bestimmung des § 3a die Gesamthöhe der aufgenommenen Darlehen und bei Unternehmen die Pflicht, die Kennzahlen der jährlichen Bilanz und den Lagebericht in diesen Informationen zu inkludieren. (§ 3a Z.3)

Des weiteren soll der Darlehensnehmer verpflichtet sein, die DarlehensgeberInnen zu verständigen, wenn Umstände eintreten, die seine Fähigkeit zur Rückzahlung des gewährten Darlehens gefährden könnten (§ 3a Z.4).

Schließlich soll DarlehensgeberInnen, die KonsumentInnen im Sinne des Konsumentenschutzgesetzes sind, in Direkt-Darlehensverträgen das Recht einzuräumen sein, den Darlehensvertrag vorzeitig zu kündigen (eine vorzeitige Rückzahlung des Darlehens zu verlangen), wenn sie in eine wirtschaftliche Notlage geraten. (§ 3a Z.5)

Zu Artikel II

§ 3 Abs.1 Z.10a:

Nach Artikel 1 der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, findet die Richtlinie keine Anwendung auf

"h) Wertpapiere eines Angebots mit einem Gesamtgegenwert von weniger als
5 000 000 EUR, wobei diese Obergrenze über einen Zeitraum von zwölf Monaten zu berechnen ist; " Fassung 2010/73/EU

Das geltende Kapitalmarktgesetz regelt eine Prospektfreiheit für Wertpapiere und Veranlagungen bis zum Betrag von 100.000 Euro oder für Angebote vor, die an einen Personenkreis gerichtet werden, der nicht mehr als 149 Personen zählt.

Der vorliegende Gesetzentwurf schlägt vor, den unionsrechtlich möglichen Rahmen einer Befreiung von der Prospektpflicht auszuschöpfen. Für Wertpapiere und Veranlagungen zwischen dem – bereits bisher prospektfreien - Betrag von 100.000 und dem Betrag von 5 000 000 Euro sollen Wertpapiere und Veranlagungen nur begeben werden können, wenn bestimmte in der vorgeschlagenen Fassung der Ziffer 10a des ersten Absatzes in § 3 KMG enthaltene Anlegerschutzbestimmungen eingehalten werden. Diese Bestimmungen sind dem bereits erläuterten § 3a BWG nachgebildet (siehe oben "Zu Artikel I Z.4").

§ 3 Abs.1 Z.10b:

Vorgeschlagen wird darüber hinaus eine Befreiung von Angeboten von Wertpapieren und Veranlagungen, deren wesentlicher Zweck in der Förderung einer bestimmten gemeinnützigen Organisation, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts oder eines Unternehmens oder in der Förderung einer bestimmten Investition eines solchen liegt. Damit sind Angebote angesprochen, bei denen aus den einzelnen Bedingungen des Angebots – insbesondere etwa der Rendite – deutlich erkennbar ist, dass das Förderungsziel das Ziel der Erwirtschaftung eines finanziellen Ertrags deutlich übersteigt.

§ 3 Abs.1 Z.10c:

Der vorliegende Gesetzentwurf regelt die Prospektfreiheit für Angebote zur Zeichnung von Genossenschaftsanteilen sowie für Angebote von Wertpapieren und Veranlagungen, die eine Genossenschaft an ihre GenossInnen richtet.




Gesetzestext

Der Nationalrat hat beschlossen:

Artikel I
Das Bundesgesetz über das Bankwesengesetz (Bankwesengesetz - BWG), BGBl. Nr. 532/1993, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 119/2012, wird geändert wie folgt:

1. An § 1 wird folgender Absatz 7 angefügt:

‘Die Entgegennahme von Darlehen durch ein Unternehmen, das keine den Banken nach den Bestimmungen dieses Gesetzes vorbehaltenen Geschäfte zum Unternehmensgegenstand hat, bedarf keiner Konzession nach diesem Bundesgesetz, wenn die entgegengenommenen Darlehen für betriebliche Investitionen oder andere betriebliche Finanzierungserfordernisse dienen.’

2. Nach § 3 Abs.1 Z.4 wird folgende Z.4a eingefügt:

’4a. Gemeinden, soweit sie bei BürgerInnen Darlehen zur Finanzierung kommunaler Projekte aufnehmen und die Bestimmungen des § 3a eingehalten werden.”

3. An § 3 Abs.3 wird folgende Z.7 angefügt:

’7. Einrichtungen, die mit ihrer Tätigkeit ausschließlich gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke im Sinne der §§ 34, 36 und 38 der Bundesabgabenordnung verfolgen, soweit sie bei BürgerInnen Darlehen zur Finanzierung ihrer Zwecke aufnehmen und die Bestimmungen des § 3a eingehalten werden.”


4. Nach § 3 wird folgender § 3a eingefügt:

’§ 3a. Darlehensverträge nach § 1 Abs.7 sind schriftlich abzuschließen und haben jedenfalls zu enthalten:

1. den Hinweis, dass eine staatliche Einlagensicherung nicht vorliegt und eine Kontrolle durch die Finanzmarktaufsicht nicht erfolgt;
2. die Information, ob und welche Sicherheiten eingeräumt werden;
3. die Verpflichtung des Darlehensnehmers, dem Darlehensgeber jährlich Informationen zu übermitteln, die eine Beurteilung der Fähigkeit zur Erfüllung der Verpflichtungen des Darlehensnehmers aus dem Darlehensvertrag ermöglichen, insbesondere die Information über den Gesamtbetrag der aufgenommenen Darlehen; bei Unternehmen haben diese Informationen jedenfalls die Kennzahlen der Bilanz und den Lagebericht zu umfassen und
4. die Verpflichtung des Darlehensnehmers, den Darlehensgeber zu informieren, wenn Umstände eintreten, die seine Fähigkeit zur Rückzahlung des gewährten Darlehens gefährden könnten;
5. ein Kündigungsrecht des Darlehensgebers, der Konsument im Sinne des Konsumentenschutzgesetzes ist, im Falle einer eigenen wirtschaftlichen Notlage, in der ihm die Mittel für eine einfache Lebensführung nicht mehr zur Verfügung stehen.

Artikel II

Das Bundesgesetz über das öffentliche Anbieten von Wertpapieren und anderen Kapitalveranlagungen (Kapitalmarktgesetz - KMG), BGBl. 625/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 83/2012, wird geändert wie folgt:

Nach § 3 Abs.1 Z.10 werden folgende Ziffern 10a, 10b und 10c eingefügt:

‘10a. ein Angebot von Wertpapieren oder Veranlagungen über einen Gesamtgegenwert in der Union von weniger als 5 000 000 Euro, wobei diese Obergrenze über einen Zeitraum von 12 Monaten zu berechnen ist, wenn das Angebot folgende Mindestinhalte aufweist:
1. die Information, ob und welche Sicherheiten eingeräumt werden;
2. die Verpflichtung des Emittenten, dem Anleger jährlich Informationen zu übermitteln, die eine Beurteilung der Fähigkeit des Emittenten zur Erfüllung seiner Verpflichtungen aus der Emission ermöglichen; bei Unternehmen haben diese Informationen jedenfalls die Kennzahlen der Bilanz und den Lagebericht zu umfassen;
3. die Verpflichtung des Emittenten, den Anleger zu informieren, wenn Umstände eintreten, die seine Fähigkeit zur Erfüllung seiner Verpflichtungen gefährden könnten;
4. das Recht des Anlegers, vom Kauf, von der Zeichnung der Wertpapiere oder von seiner Veranlagung ohne Angabe von Gründen binnen 14 Tagen zurückzutreten, und
5. das Recht des Anlegers, sofern er Konsument im Sinne des Konsumentenschutzgesetzes ist, im Falle einer eigenen wirtschaftlichen Notlage, in der ihm die Mittel für eine einfache Lebensführung nicht mehr zur Verfügung stehen, die vorzeitige Rückzahlung der veranlagten Mittel zu verlangen.

10b. ein Angebot von Wertpapieren oder Veranlagungen, deren wesentlicher Zweck in der Förderung einer bestimmten gemeinnützigen Organisation nach den §§ 34, 36 und 38 der Bundesabgabenordnung, einer Körperschaft öffentlichen Rechts oder eines Unternehmens oder in der Förderung einer bestimmten Investition eines solchen liegt;

10c. ein Angebot zur Zeichnung von Geschäftsanteilen einer Genossenschaft sowie ein Angebot von Wertpapieren oder Veranlagungen, das eine Genossenschaft an ihre GenossenschafterInnen richtet."


Artikel Online geschaltet von: / hackenberg /