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Energieeffizienzgesetz: Kommt ein Bürokratiemonster ohne Effizienz?

Der derzeitige Entwurf setzt auf Öl und Gas statt auf Energieeffizienz:

Von mehreren Seiten gibt es scharfe Kritik am Entwurf des Energieeffizienzgesetz, das morgen im Ministerrat am Programm steht.

"Der Gesetzesentwurf ist ein Deal zwischen ÖVP und SPÖ auf Kosten der Umwelt und der von Armut betroffenen Haushalten. Das Gesetz ist nicht geeignet, den hohen Energieverbrauch in Österreich zu senken und so wichtige Impulse für den Klimaschutz und die Schaffung von Grünen Arbeitsplätzen zu setzen. Seit mehr als einem Jahr wird an dem Gesetz herumgebastelt, Rot und Schwarz haben dabei nur ihre eigenen Interessensgruppen und Lobbys im Blick. Der Grundgedanke wurde völlig aus den Augen verloren: nämlich mit Energie sorgsam und nachhaltig umzugehen ", kritisieren die Grüne Klubobfrau Eva Glawischnig und Umweltsprecherin Christiane Brunner. "Wenn die Regierung glaubt, dass die Grünen einem Gesetz zustimmen, dass nichts für die Umwelt tut, sondern weiter auf Öl und Gasimporte setzt und große Konzerne schützt, dann täuschen sie sich." Der Gesetzesentwurf, der bereits morgen im Ministerrat beschlossen werden soll und im Parlament eine Zwei-Drittel-Mehrheit braucht, beinhaltet kein klares Ziel, Ölheizungen und fossile KWK-Anlagen sollen gefördert werden, der Verkehrsbereich bleibt völlig ausgeklammert, öffentliche Bundesgebäude wie Schulen, Unis und Kasernen sind von der Sanierungspflicht ausgenommen, Unternehmen können sich billig von Verpflichtungen freikaufen und Pumpspeicherkraftwerke dürfen mit Atomstrom betrieben werden. Allein gelassen werden zudem jene ca. 220.000 Menschen, die sich das Heizen nicht leisten können. Dass die Bundesregierung am Ende dieses langen, kalten Winters keine entschiedenen Maßnahmen gegen Energiearmut setzen will ist beschämend", so die Grünen.


In der Energiestrategie der Bundesregierung ist festgeschrieben, dass der Endenergieverbrauch im Jahr 2020 1.100 Petajoule (PJ) nicht übersteigen darf. Dieses Ziel wurde im Gesetz gestrichen. Das Gesetz soll Ende 2020 wieder außer Kraft treten - Experten fordern eine Halbierung des Energieverbrauchs bis 2050 - eine langfristige Strategie scheint die Bundesregierung nicht zu haben. Es enthält
Keine Maßnahmen Verkehrssektor, obwohl dieser 30% des Energieverbrauchs in Österreich verursacht. Es fehlen Maßnahmen zur Bekämpfung von Energiearmut.
Die Importkosten für fossile Energieträger nach Österreich steigen weiterhin massiv (2011: 15,5 Milliarden Euro) - der Entwurf setzt weiter auf Öl und Gas. Mit dem vorliegenden Gesetz wären Öl- und Gasheizungen förderbar und noch dazu ist geplant, fossile KWK-Anlagen kräftig zu fördern. Bis 2020 sollen insgesamt 500 Millionen Euro in die fossile KWK-Förderung fließen. Bezahlen sollen diese Förderung aber alle Haushalte. Zusätzliche Kostenbelastung für die Stromkunden: 6 Euro pro Jahr. Unternehmen können sich mit einer "Ausgleichszahlung" von den ohnehin extrem niedrigen Verpflichtungen relativ billig "freikaufen". Die "Strafzahlungen" sind nicht für Energieeffizienzmaßnahmen zweckgewidmet.
Weniger als 10% aller Unternehmen sollen zu Maßnahmen verpflichtet werden.

Im eigenen Bereich soll wenig passieren: Öffentliche Gebäude sind von Sanierungspflicht weitgehend ausgenommen. Für die BIG (Bundesimmobiliengesellschaft, größter Gebäudeeigentümer Österreichs) gibt es keine Sanierungsverpflichtung, Bundesschulen, Unis und Kasernen müssten also nichts für mehr Energieeffizienz tun, Länder und Gemeinden ebenfalls nicht. Pumpspeicherkraftwerke dürfen mit Atomstrom betrieben werden.

"Wenn Energieminister Mitterlehner Interesse an einem Energieeffizienzgesetz hat, das diesen Namen auch verdient, dass also etwas für den Klimaschutz, die Energiewende, Grüne Jobs und von Armut bedrohte Familien leistet, dann kann er sich auf härteste Verhandlungen im Parlament gefasst machen", sagen Glawischnig und Brunner. "Bleibt das Gesetz so wie es ist, bedeutet das nichts anderes als die Selbstaufgabe der Bundesregierung in der Energiepolitik."

Greenpeace warnt vor Scheitern des Atomstromgesetzes

Greenpeace fordert die Bundesregierung auf, den von Kanzler Werner Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger im vergangenen Jahr feierlich angekündigten Atomstromstopp aus dem Energieeffizienzpaket herauszulösen und sofort umzusetzen. "Für Mittlerlehner ist die Atomstromfreiheit offensichtlich nur Verhandlungsmasse und keine Überzeugungsfrage. Das Atomstromgesetz in Geiselhaft zu nehmen, um das unbrauchbare Energieeffizienzgesetz zu retten ist eine leicht durchschaubare, zynische Taktik. Der Wirtschaftsminister verlässt damit den Anti-Atom-Konsens und begibt sich selbst in Isolation", kritisiert Greenpeace Geschäftsführer Alexander Egit.

Die für das Energieeffizienzgesetz notwendige Verfassungsmehrheit ist derzeit in weiter Ferne, da dazu eine Zustimmung von Grünen oder FPÖ notwendig wäre. Eine Zustimmung der Opposition ist aber kaum vorstellbar, da der Gesetzesentwurf vollkommen ungeeignet ist, die Effizienzziele zu erreichen und außerdem im Widerspruch zu den CO2-Reduktions- und den Erneuerbaren Zielen steht.

"Der Entwurf ist unbrauchbar. Ein reines Bürokratiemonster wird nicht dabei helfen, die Effizienzziele zu erreichen. Eine aufkommensneutrale öko-soziale Steuerreform wäre das effizienteste System, um Anreize zum Energiesparen zu setzen. Zusätzlich müssten Maßnahmen gesetzt werden um Menschen aus der Energiearmutsfalle zu befreien", ist Egit überzeugt.

Besonders scharf kritisiert Greenpeace, dass der Bereich Verkehr im Entwurf nicht enthalten sei. "Mit der Förderung von effizienteren Fahrzeugen und öffentlichen Verkehrsmitteln könnten Mensch und Umwelt entlastet werden", so Egit. Stattdessen setze Mitterlehner weiter auf die Abhängigkeit von Öl- und Gaslieferungen- mit Förderung für fossile KWK-Anlagen!

Als "absurd" bezeichnet Egit den Ansatz, die Energiekonzerne zu verpflichten, dass ihre Kunden weniger Energie verbrauchen. "Damit macht man den Bock zum Gärtner", stellt er klar. Darüber hinaus ist keine Zweckwidmung von Ausgleichszahlungen, die bei Nichterreichen der Einsparungsziele anfallen, vorgesehen. "Mitterlehners Entwurf ist eine Einladung für Unternehmen, sich billig aus der Verantwortung freizukaufen. Die Ausgleichszahlungen müssten massiv erhöht werden und verpflichtend den Haushalten, allen voran den Ärmsten der Armen, für Effizienzmaßnahmen zur Verfügung gestellt werden", fordert Egit.

Subventionen für fossile Kraftwerke haben nichts mit Energieeffizienz zu tun!

"Österreich braucht ein echtes Energieeffizienzgesetz, das klare Ziele setzt und eindeutige Verantwortlichkeiten schafft, den Unternehmen und KonsumentInnen hilft, ihren Energieverbrauch zu senken und Österreich von Uran, Kohle, Öl und Gas unabhängig macht", stellt Gerhard Heilingbrunner, ehrenamtlicher Präsident des Umweltdachverbandes, klar. "Was morgen von BM Mitterlehner als Energieeffizienzgesetz in den Ministerrat geschickt wird, hat diesen Namen nicht verdient. Subventionen für fossile Kraftwerke, Schlupflöcher für Atomstrom in Österreichs Pumpspeichern und Fördermittel für Ölkessel haben absolut nichts mit einer zukunftsfähigen Energiestrategie zu tun", so Heilingbrunner.

Österreichs Energiezukunft braucht klare Regeln

"Damit Österreichs Energiepolitik endlich im 21. Jahrhundert ankommt und wir eine naturverträgliche Energieversorgung aufbauen können, braucht es einfache, klare Regeln", legt Heilingbrunner dar.

- Energieverbrauch stabilisieren und bis 2050 halbieren!
- Keine Schummelei und kein Schönrechnen durch fiktive Einsparungen!
- Alle Energieträger sparsam einsetzen!
- Verpflichtende Energieeffizienzmaßnahmen für Unternehmen statt branchenweiter Selbstverpflichtungen als Deckmantel für Trittbrettfahrer!
- Einsatz erneuerbarer, klimafreundlicher Energieträger (z. B. Windkraft) nicht als Endenergiesparmaßnahme behandeln!
- Kein Schlupfloch für Pumpspeicherkraftwerke!
- Kein Körberlgeld für fossile Kraftwerke!
- Kein Energieeffizienzgesetz ohne wirksame Maßnahmen für den Verkehr!

"Solange diese Probleme nicht vom Tisch sind, kommt Österreichs Energiepolitik um keinen Schritt weiter. Die Stabilisierung bzw. Halbierung des Energieverbrauchs sind keine Wunschträume, sondern absolute Notwendigkeiten, um Österreichs Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu beenden und eine naturverträgliche Energieversorgung aufzubauen. BM Mitterlehner muss sich entscheiden, ob er weiterhin als Marionette in den Fängen der E-Wirtschaft agieren oder als Vertreter des Volkes für eine nachhaltige Zukunft der Energieversorgung unseres Landes sorgen will", so Heilingbrunner.

"Vor einem Jahr wurde der erste Atomgipfel abgehalten. Faymann und Spindelegger haben den gänzlichen Atomstromausstieg bis Anfang 2015 versprochen. Wenn morgen der Ministerrat beschließt, dass 25 % des Pumpspeicherstroms zur Wiederbefüllung der Speicherwasserkraftwerke in den Alpen Atomstrom sein dürfen, dann führt dies den Atomstromausstieg ad absurdum", ist Heilingbrunner entsetzt.

Derzeit einziger Lichtblick: Die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament dürfte der jetzige Entwurf nicht erreichen, denn sowohl Grüne als auch FPÖ haben angekündigt, einem solch verwässerten Energieeffizienzgesetz nicht zuzustimmen!


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /