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Gegen den Strom. Zur Geschichte des Stadtradelns in Wien

Die Geschichte des Radfahrens in Wien stand im Mittelpunkt eines Vortrag von Mag. Dr. Sándor Békési am 11.06.2013 im Wien Museum am Karlsplatz

Békési zeigte auf, dass in der Geschichte des Stadtradelns Erich Kielmansegg, der sich im Jahr 1890 für eine Liberalisierung des Radfahrens und Freigabe der meisten Straßen für Radfahrer und Radfahrerinnen einsetzte, in einem Atemzug mit dem viel späteren Wiener Bürgermeisters Helmut Zilk als wichtige Personen im Sinne des Stadradelns genannt werden können.

Nach dem ersten Weltkrieg nahm der Radanteil am Modal Split in Wien zu. Nach 1900 war dieses Gefährt für die meisten Personen noch zu teuer gewesen. Die Wiener Sozialdemokratie hätte die Stadt im Zeitraum bis 1938 im Sinne der RadfahrerInnen gestalten können. Dies erfolgte aber nicht... Wien wurde damals zur Tramstadt, ohne einen parallelen Ausbau der Radwege.

Wien war in der Zwischenkriegszeit keine Radelstadt

Mit der StVO im Jahr 1930 wurde die Radwegebenutzungspflicht eingeführt (die im Jahr 2013 gefallen ist) sowie das Verbot des Fahrens in Nebenstraßen.

Berlin hatte im Jahr 1934 etwa 300 km Radwege. In Wien waren im Jahr 1938 gerade einmal 32 km vorhanden. Bis zum Jahr 1980 erhöhte sich diese Weglänge nur geringfügig. Wien hatte im Jahr 1935 etwa 140.000 Radfahrer und Radfahrerinnen, Berlin hingegen etwa 2 mal so viel aufzuweisen.

1937 wurde die Ausweiskarte für das Radeln eingeführt. Mit den Einnahmen aus den Gebühren sollten auch Radwege finanziert werden. Von den Abgaben waren vor allem die Arbeiter sowie Arbeiterinnen in Wien betroffen. 1938 schufen die Nationalsozialisten mit entsprechenden propagandistischen Maßnahmen diese Gebühr wieder ab.

Nach dem 2.Weltkrieg – beispielsweise in den 1950er Jahren- wurden Radwege in Wien demoliert. So ist es kein Wunder, dass es in den 1970er Jahren in Wien gerade einmal 12 km Radwege existierten. 1979 gab es erstmals wieder eine Raddemo – hier mit einem Hintergrund zum Schutz der Umwelt. Der ARGUS forderte ein Verkehrskonzept mit Berücksichtigung des Rades. 1983 ließ Zilk Überlegungen zu einem Radwegegrundnetz veröffentlichen und es folgten u.a. Konzepte zum Ringradweg.

1990 - Radwegenetz in Wien

Das Radwegenetz in der Bundeshauptstadt entsprach 1990 im Bezug auf die Länge in etwa dem Stand deutscher Großstädte in den 1970er Jahren. Bekesi machte darauf aufmerksam, dass es nicht unbedingt einen kontinuierlichen Anstieg des Radanteils am Modal Split in Wien gibt. So wies er auf eine Delle zwischen den 1990er Jahren und 2002 in seinem Referat hin. In letztgenannten Jahr betrugt der Anteil nur 2%!

Spannungsfeld: Siedlungsdichte, -struktur, ÖPNV, Politik und Planung...

Ein Vertreter aus dem Publikum wies darauf hin, dass in einer gebauten Stadt die Fläche nicht beliebig anders genutzt werden kann. Bereits in den 1960er Jahren machten ARBÖ und ÖAMTC darauf aufmerksam, dass parkende Autos das Hauptproblem in der Stadt sind und diese den fließenden Verkehr behindern. Noch in den 1950er Jahren war in Wien für die Anmeldung eines Autos ein Stellplatznachweis erforderlich. Anfang der 1960er Jahre wurde diese Regelung in Wien aufgehoben und in Japan eingeführt. Ferner gab es in Wien Schienenparkverbote.

Im Bezug auf die Siedlungsstruktur wurde darauf hingewiesen, dass Straßen in Berlin viel breiter als in Wien sind. In Frankreich werden beim Ausbau der Tram parkende Autos von der Oberfläche geräumt, um Platz zu schaffen. Ähnliches geschieht derzeit z.B. in London beim Ausbau der Fuß- oder Radwege. Es stellt sich also überall das Problem der parkenden Autos. Sollten parkende Autos deshalb nicht von den Straßen geräumt und am Siedlungsrand in Garagen geparkt werden? Um den Rudolf-Bednar-Park entstehen z.B. Wohngebäude mit Garagen und 4 spurige Straßen davor, wovon 2 für parkende Autos vorgesehen sind. Dies erhöht in Summe die Infrastruktur- sowie Gebäudeerrichtungskosten...

Bekesi meinte, dass man in Wien im Zusammenhang mit der Parkraumbewirtschaftung die sich bietenden Chancen nutzen sollte, um leerwerdende Flächen zum Ausbau der Radwege zu nutzen. Auch die derzeitige gesetzlichen Regelungen, die zur Attraktivierung des Autofahrens führen, durch Bau von Garagen in den Häusern, sollte überdacht werden. Die Stimmungsmache und Motivation pro Radfahren ist wichtig, reicht zur Erhöhung des Anteils vom Rad am Modal Split aber nicht aus.

Seine Aussagen unterstricht er abschließend mit einem Zitat:

‘Bisher haben wir Glück gehabt. Wir haben Radrouten dort angelegt, wo es wirklich relativ einfach war, weil wir dort niemanden verdrängen mussten. Und wenn jemand verdrängt wurde, war es der Fußgänger. Aber jetzt geht es ans Eingemachte. Jetzt geht es an die Reviere der Autofahrer.’

Alois Schützenhofer, Leiter des Kuratoriums für Verkehrssicherheit in der Steiermark, 1986


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