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Aufsichtsrat im Wandel der Zeit

Barfeld & Partner GmbH

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Die Funktion der Aufsichtsräte in den deutschen Unternehmen hat sich in den letzten dreißig Jahren stark verändert - sowohl unternehmensintern als auch in der Außenwahrnehmung. Vor dem Hintergrund in der Öffentlichkeit breit diskutierter Unternehmenspleiten wie beispielsweise Enron, Fehlspekulationen an der Börse mit drastischem Ausmaß und Schmiergeldaffären, gewinnt das Thema jetzt wieder an Fahrt. Die Frage nach der originären Aufgabe des Gremiums Aufsichtsrat stellt sich nicht zu Unrecht. "Alibiveranstaltung" oder sinnvoll intervenierendes Organ, sind die beiden Enden des Spektrums, in dem die deutschen Aufsichtsräte wahrgenommen werden.


Ein Blick zurück
Anfang der 70er Jahre war es so, dass es in den Aufsichtsratssitzungen meist sehr "vornehm" zuging, erinnert sich Dr. Manfred Lennings (u.a. früherer Aufsichtsratsvorsitzender des Krupp-Konzerns). Vor allem war es unfein, unbequeme Fragen zu stellen. Wer dies allerdings doch tat, konnte sicher sein, wiedergewählt zu werden. Denn kein Aufsichtsratsvorsitzender wollte sich dem Vorwurf aussetzen, unbe¬queme Mitglieder einfach zu "entsorgen". Die Wirtschaftsprüferberichte wurden zu dieser Zeit noch wie ein Staatsgeheimnis behandelt. Man bekam sie in der Regel nur auf mehrfache Nachfrage und nach hartnäckigem Intervenieren. Verbunden war ihre Zusendung meistens mit dem Hinweis, anderen Aufsichtsratsmitgliedern davon nicht zu berichten. Eine Kuriosität - zumindest aus heutiger Sicht. Aber auch was die Zusammensetzung dieses Gremiums anging, gab es Unterschiede zu heute. Wesentlich häufiger waren Versicherungs- und Bankenvertreter im Aufsichtsrat zu finden. Dies führte dazu, dass zeitweise in den Sitzungen Verhandlungen zwischen Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern über Kredite geführt wurden. Es ging also klar ums operative Geschäft. Wenn auch die Präsenz in den Aufsichtsratssitzungen früher eher gering war, so Lennings, zogen in Krisensituationen alle am selben Strang und gingen die Probleme direkt an.

Ein prägnanter Einschnitt kam in der zweiten Hälfte der 70er Jahre. Hier wurde das neue Mitbestimmungsgesetz eingeführt, wonach der Aufsichtsrat von da an paritätisch besetzt zu sein hatte. Schon seinerzeit hatte die soziale Gerechtigkeit, die bis heute nicht exakt zu definieren ist, einen höheren Stellenwert gehabt als die internationale Wettbewerbsfähigkeit. In den Unternehmensleitungen war aufgrund der gesetzgeberischen Pläne die Sorge groß. Die angespannte Situation wurde allerdings dadurch entschärft, dass eine neue Instanz ins Leben gerufen wurde: die Mitbestimmungskommission. Sie hat das Mitbestimmungsgesetz, also die Einführung der Parität, gerettet und sie praktikabel gemacht. Die Lösung war die Einführung der Doppelstimme für den Vorsitzenden des Aufsichtsrates.

Am 04.05.1976 wurde das Gesetz verabschiedet. Nicht wenige Unterneh¬men klagten dagegen, weil sie sich in ihren Eigentumsrechten eingeschränkt sahen. Die Klagen wurden jedoch vom Bundesverfassungsgericht abgeschmettert. Eine positive Entwicklung, da durch dieses Urteil die Doppelstimme des Vorsitzenden zu einem normalen und legitimen Instrument wurde - wenn sie auch in der Praxis nicht häufig gezogen werden musste.

Auch das Klima in den Aufsichtsratssitzungen veränderte sich durch das Gesetz. Wider Erwarten ging es von nun an harmloser zu. Das hatte primär drei Gründe:

1. Das Mitbestimmungsgesetz schreibt die Anzahl der Mitglieder im Aufsichtsrat vor. Hierdurch wurden die Aufsichtsräte tendenziell größer. Dies hatte den Effekt, dass der Umgangston miteinander eher sanft war. Man vermied es, durch seine Äußerungen zur Lagerbildung beizutragen oder sich selbst ins Abseits zu stellen.

2. Die Arbeitnehmervertreter brauchten eine gewisse Einarbeitungszeit. Es galt, sich in die neue Rolle hineinzufinden und die Spielregeln dieses Gremiums zu verstehen.

3. Wegen der Parität hatten die Anteilseignervertreter Hemmungen, den Vorstand in den Aufsichtsratssitzungen in Verlegenheit zu bringen. Ein Punkt bei dem sich die Beteiligten heutzutage teilweise weniger zieren und gelegentlich sogar übers Ziel hinausschießen.

Was hat sich bis heute verändert?
Die Einführung des Mitbestimmungsgesetzes wurde seinerzeit äußerst kontrovers diskutiert. Das hat es seiner einschneidenden Bedeutung für die unternehmerische Praxis zu verdanken. Dass die Meinungen nach wie vor auseinander gehen, zeigt auch eine Umfrage des Instituts der Deutschen Wirtschaft aus dem Jahre 2006. Hierin wurden die Auswirkungen des Gesetzes in den Jahren seit seiner Einführung betrachtet. Immerhin 38% der großen deutschen Kapitalgesellschaften kamen zu einer negativen Bewertung, 34% zu einer positiven. "Ich selber bin insgesamt gesehen froh, dass es dieses Gesetz gibt", meint Lennings mit Verweis auf verschiedene positive Erfahrungen aus seiner Aufsichtsratszeit. Ein Beispiel ist die seinerzeit von Krupp-Stahl beschlossene Stilllegung in Rheinhausen. Hier hat es eine eintägige Aufsichtsratssitzung gegeben, in der die Arbeitnehmervertreter überzeugt worden sind, dass es keine Alternative zu dieser Entscheidung geben konnte. Diese gemeinsame Diskussion, so schwierig sie für alle Beteiligten auch gewesen ist, verhinderte einen Flächenbrand in der Belegschaft. Ohne die Parität wäre dieser Beschluss nicht so ruhig angenommen worden, sondern hätte das Unter¬nehmen und die Beschäftigten nachhaltig schädigen können.

Ein weiteres Beispiel ist die Deutsche Post AG. Hier bestand Einigkeit, dass Zukäufe unabdingbar sind für die weitere Entwicklung des Unternehmens. Ebenso war klar, dass die daraus erhofften Synergieeffekte erst einige Jahre später eintreten werden. Problempunkt war, wie man diese Zukäufe finanzieren könnte. Dies sollte durch den Verkauf der im Eigentum der Deutsche Post stehenden Wohnungen geschehen. Nur durch die Mitwirkung der Arbeitnehmervertreter in dieser Art und Weise konnte dieser Beschluss durchgesetzt werden.

Die oben zitierte Umfrage hat aber auch ergeben, dass mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen der Meinung ist, die Aufsichtsräte seien zu groß. "Ich stimme dem grundsätzlich zu", so Lennings. Ein Gremium von 12-20 Mitgliedern ist für ein vernünftiges, zielgerichtetes Arbeiten und für eine konstruktive Diskussion zu groß. Solche Aufsichtsräte fangen an, Ausschüsse zu bilden und verlieren sich so immer weiter in ihrer eigenen Struktur und im Selbstmanagement.

Trotz allem, so Lennings, erkannte man schon vor Jahren, dass es verschiedene Mängel am deutschen Aufsichtsratssystem gab. Daher ist es auch zur Einführung des Kontragesetzes (KonTraG) zwecks besserer Kontrolle und Transparenz gekommen. Bestandteile dieses Gesetzes waren die zwingende Einrichtung eines Risikoberichtes und die Fokussierung des Wirtschaftsprüfers auf den Aufsichtsrat, an den er von da an berichtete. Dies stärkte sowohl die Stellung des Wirtschaftsprüfers und verbesserte zudem die Informations¬lage und Interventionskompetenz des Aufsichtsrates. Letzterer konnte nun an Bilanzsitzungen teilnehmen. Die Berichte wurden transparenter, so dass es die früher häufigen Management Letter heute kaum noch gibt. Nicht zuletzt führte auch das zu einer gestiegenen Präsenz der Aufsichtsratsmitglieder in den entsprechenden Sitzungen.

Fazit
Die Deutschland AG mit ihren vielen wechselseitigen Beteiligungen gehört weitgehend der Vergangenheit an. Wer aber glaubt, mit ihr seien auch die persönlichen Verflechtungen gestorben, der irrt. Sicherlich ist es nicht mehr so wie früher, als die drei mächtigsten Aufsichtsräte 14 von 30 DAX-Unternehmen angehörten. Davon haben wir uns mittlerweile weit entfernt. Von den mächtigsten "Kontrolleuren" hat heute kaum einer mehr ein Vorstandsmandat. Der Berufsaufsichtsrat ist auf dem Vormarsch und gewinnt an Akzeptanz. Das ist gut so und macht Sinn. In diesem Zusammenhang ist auch die Frage zu stellen, wie man die Tatsache beurteilt, dass viele ehemalige Vorstandsmitglieder ihr Amt nie¬derlegen und anschließend in den Aufsichtsrat wechseln. Was aus Informationsgründen im Einzelfall sinnvoll sein kann, ist kritisch zu hinterfragen, wenn hieraus mancherorts ein Automatismus wird.

Nicht umsonst gibt es das geflügelte Wort, in dem auf die Frage "Wie werde ich Vorsitzender des Aufsichtsrates?" geantwortet wird: "Nun zunächst werde einmal der Vorsitzende des Vorstands".

Zu guter Letzt wäre noch eine Verkleinerung der deutschen Aufsichtsräte wichtig. Auf diesem Wege ließe sich, bei gegebener Parität und Akzeptanz der Bedeutung dieses Gremiums auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreterseite, die Möglichkeiten zur positiven Einflussnahme auf das Unternehmensgeschehen noch erhöhen. Dieser Schritt scheitert aber derzeit oft noch am erbitterten Widerstand der Gewerkschaften.

Dr. Manfred Lennings (* 23.02.1934, † 01.03.2008) war u.a. Vorstandsvorsitzender des Gutehoffnungshütte-Konzerns (später MAN AG), Aufsichtsratsvorsitzender bei Krupp und Verwaltungsratsvorsitzender der Treuhandanstalt. Darüber hinaus bekleidete er Aufsichtsratsmandate in Großkonzernen wie Bayer, Deutsche Shell, Alcatel, Lufthansa und Deutsche Post.
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