Windantrieb kann auch für große Schiffe wirtschaftlich sein

TU Berlin Forscher simulieren Seefahrt mit Windsegeln

Mehr als drei Monate lang war das seltsame Gefährt unterwegs, von Bremerhaven über Mexiko nach Nordamerika und zurück nach Norwegen: die "MS Beluga SkySails", ein Frachter, der neben dem normalen Dieselmotor-Antrieb erstmalig einen innovativen und umweltfreundlichen Antrieb benutzte. Durchschnittlich vier Stunden am Tag ließ er sich zusätzlich von einem riesigen Drachen ziehen. Die Maschine konnte gedrosselt werden und so sparte der Frachter auf seiner Jungfernfahrt 1,5 bis zwei Tonnen Treibstoff pro Tag. Forscher der Technischen Universität Berlin untersuchen, welches Potenzial hinter dieser ressourcensparenden Antriebsart steckt - und nutzen dabei eine neue Software.

"Steigende Kraftstoffpreise und das stark wachsende Interesse, in allen Bereichen des Verkehrs die Schadstoffemissionen zu vermindern, begünstigen den Einsatz nachhaltiger Antriebssysteme. In der Schifffahrt ist der Wind als Zusatzantrieb besonders interessant und noch wenig erforscht", sagt Schiffbauingenieur Gonzalo Tampier vom Fachgebiet Schiffs- und Meerestechnik der TU Berlin. Er hat in umfangreichen Simulationen das Potenzial verschiedener Zusatzantriebe mit Windkraft untersucht: Fünf Jahre lang lässt Gonzalo Tampier zwei Schiffe von Le Havre in Frankreich nach Miami und San Francisco in den USA fahren, von Valparaiso in Chile ins japanische Yokohama - in einer virtuellen Welt. Versuche mit echten Schiffsreisen wären viel zu teuer, daher hat das Fachgebiet Schiffs- und Meerestechnik eine Computersoftware entwickelt, die diese Reisen simulieren kann.

Die Windgeschwindigkeit und -richtung sowie signifikante Wellenhöhen auf den Routen werden realistisch simuliert. Die Daten dafür stammen aus der Datenbank des European Centre for Medium-Range Weather Forecasts (ECMWF). Sie wurden aus den vergangenen 40 Jahren in Zeit-Schritten von jeweils sechs Stunden bereitgestellt. Die Charakteristika der Stabilität und des Verhaltens der Schiffe im Seegang werden ebenso berücksichtigt. Die virtuellen Schiffe "fahren" auf klassischen und aktuellen Routen der Segelschifffahrt sowie der Schiffe mit Maschinenantrieb.

"Die Untersuchung sollte vor allem nachweisen, wie viel Kosten eingespart werden könnten, wenn man alternative Antriebe einsetzt", erklärt Gonzalo Tampier. "Zur besseren Ausnutzung der vorhandenen Windverhältnisse muss auch geprüft werden, ob und wie es sich lohnt, wenn der Kapitän einen kleinen Umweg macht, um den Wind zu nutzen." Besonders wichtig bei dieser Simulation ist es, dass die neuen Segel-Antriebe keinen erhöhten Personalbedarf an Bord erfordern. Im Idealfall soll das Segel die Schiffssicherheit und Manövrierfähigkeit möglichst verbessern. Außerdem dürfen der Schiffsbetrieb oder das Fahrgebiet keinen Einschränkungen unterliegen. Es werden sowohl unterschiedliche Segeltypen untersucht als auch Routenoptimierungen vorgeschlagen. Bei der jeweiligen Kostenanalyse spielen Faktoren wie Baukosten, Unsicherheiten in der Ölpreis-Entwicklung oder Umweltfaktoren wie Emissionssteuern und CO2-Ausgleichszahlungen eine zentrale Rolle. "Die Studie", so Gonzalo Tampier, "die Einsparungen von 15 Prozent und mehr erbrachte, zeigt das bedeutende Potenzial der Segelunterstützung, insbesondere wenn technologisch innovative Segeltypen verwendet werden. Sie gibt außerdem einen Einblick in die wichtigsten Abhängigkeiten wie Schiffsgeschwindigkeit, Segeltyp oder gefahrene Route."

Weitere Informationen:
Dipl.-Ing. Gonzalo Tampier Brockhaus, Technische Universität Berlin, Institut für Land- und Seeverkehr, Fachgebiet Schiffs- und Meerestechnik, Tel.: 030 / 314-21 213

GastautorIn: Dr. Kristina R. Zerges, TUB für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /