© Biomasseverband - Die Experten bei der Konferenz in Graz
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Klimawandel findet statt: Die Folgen sind bereits sichtbar

Bioenergie-Zukunftstechnologien bei der 4. Biomassekonferenz in Graz im Fokus

Im Mittelpunkt der 4. Mitteleuropäischen Biomassekonferenz, die derzeit in Graz läuft, stehen Klimawandel, Energiewende sowie technologische Trends in der Biomassebranche.

Klimawandel durch den Menschen ausgelöst

"Das Klima reagiert auf Änderungen des Energiegleichgewichtes im Klimasystem. Wenn, wie durch die wachsende Konzentration der Treibhausgase, weniger Energie abgegeben wird, als durch die Sonnenstrahlung ins System kommt, steigt der Energieinhalt. Wenn das Gleichgewicht episodisch durch Vulkanausbrüche oder zyklisch durch Sonnenintensität gestört wird, ergibt das Klimaschwankungen. Wenn die Störung bleibend oder gar permanent durch anthropogene Einflussnahme zunehmend ist, führt das zu einem Klimawandel", schildert Univ.-Prof. Georg Kaser, Klimaforscher und Mitautor des IPCC-Klimaberichtes. "Der Klimawandel findet statt, die Verursachung durch menschliche Aktivitäten ist klar. Die Folgen sind bereits sichtbar und zukünftige in globalen wie großregionalen Mitteln absehbar: Anstieg der Temperatur der Erdoberfläche, Anstieg des Meeresspiegels, Abschmelzen von Eismassen, Versauerung der Ozeane, Verstärkung des Wasserkreislaufs, Verschieben von Niederschlagsmustern, etc." Die Zunahme von Extremereignissen in Anzahl und Intensität ist wahrscheinlich. Regionale und lokale Auswirkungen werden Abweichungen zu den großräumigen Mitteln haben und sind im Detail weniger genau quantifizierbar. Dazu ist zusätzliche Forschung notwendig.

Das Ausmaß der Änderungen ist laut Kaser überwiegend nachteilig. Der weitere Verlauf hängt vom Handeln der Menschen ab. Ein weiteres Beschleunigen des Klimawandels kann nur durch eine schnelle und drastische Reduktion der Emission von Treibhausgasen, vor allem von CO2, erzielt werden. Technischem Gegensteuern (Geoengineering) durch das Einfangen und Binden von CO2 oder durch eine Verstärkung des Reflexionsvermögens der Erde gegenüber der Sonnenstrahlung fehlt sowohl die Reife als auch ein geopolitisches Werkzeug zur Ausführung, erklärt der Professor. Negative Seiteneffekte im Klimasystem wären unabsehbar.

Der Klimawandel ist das größte Marktversagen, das es je gab


"So viel wie der Erste und Zweite Weltkrieg zusammen könnte es kosten, wenn die Menschheit mit ihrer heutigen Energiepolitik weitermacht wie bisher: Wir verbrennen heute an einem Tag so viel Kohle, Gas und Öl wie die Natur in einer Million Tagen angesammelt hat", erläutert Journalist und Energiewende-Guru Franz Alt und zitiert gleichzeitig den ehemaligen Chefvolkswirten der Weltbank, Nicholas Stern: "Der Klimawandel ist das größte Marktversagen, das es je gab." So hatte es bisher niemand formuliert. Plötzlich ist die Rettung des Weltklimas ein Auftrag der Ökonomen. "Entscheidend wird sein, dass wir langfristig rechnen lernen. Der frühere SPD-Politiker, Ökoenergie-Pionier und Ökonom Hermann Scheer rechnete in diesem Sinne: 'Die Mehrkosten für erneuerbare Energien von heute sind vermiedene Umweltschäden und niedrige Energiekosten von morgen'", meint Alt. Dabei steht die Lösung des Energieproblems am Himmel. Die Sonne schickt uns jede Sekunde unseres Daseins 15.000mal mehr Energie als alle sieben Milliarden Menschen zurzeit verbrauchen. "Und die Sonne schickt uns keine Rechnung!", illustriert Alt. Es gibt von Natur aus kein Energieproblem. "Die Zukunft mit erneuerbaren Energien bedeutet Innovation statt Depression. Wenn bei Kohle- und Atomstrom die Folgekosten und die hohen Steuersubventionen mitgerechnet werden, ist Strom aus Wind, Wasser und Biomasse heute schon preiswerter", so Alt. Das deutsche - auf ein Einspeisetarifsystem basierende - Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ist laut Alt das weltweit erfolgreichste zur Einführung erneuerbarer Energien. Inzwischen haben es 67 Länder übernommen, darunter die Milliardenvölker Indien und China. "Der Widerstand gegen das EEG wird sich erst ändern, wenn immer mehr WählerInnen deutlich machen, dass mit ihrer Stimme künftig nur derjenige rechnen kann, wer sich in der Überlebensfrage der Menschheit glaubhaft engagiert - auch gegen starke Wirtschaftsinteressen", schlussfolgert der Journalist.

Wohin geht es mit der Nutzung der Biomasse?

"Die Wärme- und Kälteerzeugung aus Biomasse wird zukünftig weiter an Stellenwert gewinnen. Hinsichtlich zukünftiger Verbrennungstechnik für Biomasse-Kleinfeuerungsanlagen werden hocheffiziente Systeme mit Brennwerttechnik und extrem niedrigen Emissionen von besonderer Relevanz sein. Bezüglich Emissionsreduktion wird der Schwerpunkt auf extrem staubarmen neuen Kleinfeuerungstechnologien liegen - entsprechende Entwicklungen sind bereits im Gange", präsentiert Prof. Univ.-Doz. Ingwald Obernberger, Technische Universität Graz und Geschäftsführer BIOS Bioenergiesysteme GmbH, die Technologie-Trends. Im mittleren und großen Anlagenbereich liegt ein Fokus auf der Effizienzsteigerung und verbesserten Regelung von Wärmeverteilsystemen (Fernwärmenetze, Abnehmer und Wärmerückgewinnung). Hier gibt es große Verbesserungspotenziale bei bestehenden und neuen Systemen. Ferner wird die Prozesswärmenutzung auf Basis Bioenergie beziehungsweise kombinierten Biomasse-/ Solarsystemen an Bedeutung gewinnen. Im Bereich Biomasse-Brennstoffe nimmt die Rolle der Veredelung und Vorbehandlung zu. Da Biomasse-Brennstoffe immer mehr zu einem international handelbaren Energieträger werden, ist deren Standardisierung und Erhöhung der Energiedichte ein wichtiges Thema. In diesem Zusammenhang spielt die Weiterentwicklung und Demonstration der Torrefizierung (Röstung) von Biomasse eine wichtige Rolle, daneben sind auch Aktivitäten bezüglich Karbonisierung (Verkohlung) und Verflüssigung im Gange. Ein zweiter wichtiger Punkt ist die Verbesserung von Brennstoffeigenschaften von nicht-holzartiger Biomasse (z.B. von landwirtschaftlichen Reststoffen) durch Additivierung, um auch die Brennstoff-Flexibilität und damit auch das nutzbare Brennstoffpotenzial zu erhöhen.

Im Bereich der kombinierten Strom- und Wärmeerzeugung ist ein Trend in Richtung Mikro-Kraft-Wärme-Kopplungssysteme für Biomasse-Brennstoffe erkennbar. In diesem Bereich sind mehrere neue Technologieentwicklungen auf Verbrennungs- und Vergasungsbasis im Gange beziehungsweise teilweise auch bereits in Erprobung. Bei der Treibstofferzeugung aus Biomasse wird die Relevanz der Aufbereitung von Biogas auf Erdgas-Qualität und auch dessen Einspeisung in Erdgasnetze steigen. Zusätzlich schreitet auch die Entwicklung und Demonstration von Technologien zur Produktion von Synthesegas beziehungsweise Treibstoffen aus fester Biomasse voran - derartige Prozesse werden insbesondere für Großanlagen, in denen Wärme-, Strom- und Treibstoff- beziehungsweise Rohstoffproduktion aus Biomasse in Form von sogenannten Bioraffinerien erfolgt, immer wichtiger werden.



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Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /