© Macht Energie/ Hubert Canaval
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Macht Energie: Hypo-Alpe-Adria Verlust in einem Jahr wett machen

Ein spannendes Interview mit Hubert Canaval und Corinna Milborn zu ihrem Film "Macht Energie"

© Macht Energie/ Corinna Milborn
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© Allegrofilm/ Gigantische Umweltzerstörung zur Energiegewinnung
© Allegrofilm/ Gigantische Umweltzerstörung zur Energiegewinnung
© Allegrofilm/ Atomare und fossile Energien- Ein Ausweg?
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© Allegrofilm/ Die Gewinne großer Energiekonzerne sind gewaltig
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© Allegrofilm/ Murau in der Steiermark geht einen anderen Weg
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© Allegrofilm/ Ein Rufer in der Wüste- Ist der Atommüll tatsächlich sicher gelagert?
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© Allegrofilm/ Bereits ein Solarstrommodul kann in Afrika die Welt verändern- Mit Licht am Abend
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© Allegrofilm/ Atomkraft ist eine schleichende Gefahr
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© Allegrofilm/ Der Klimawandel wirkt sich aus
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© Allegrofilm/ Fossile Energie verändert das Klima
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© Allegrofilm/ Wolfgang Löser ist mit seinem Bauernhof energieautark
© Allegrofilm/ Wolfgang Löser ist mit seinem Bauernhof energieautark

oekonews: Wer hatte eigentlich die Idee zu dem Film?

Hubert Canaval: Helmut Grasser, der Produzent des Films, hatte die tolle Idee, einen Film über Energie zu machen.

Die zweite für mich sehr erfreuliche Sache war die Frage, ob ich Regie führen möchte und seine dritte wirklich gute Idee war, dass er Corinna Milborn zur Mitarbeit für die Recherche vorgeschlagen hat.

Das war ein Bereich, wo ich das Gefühl hatte, das ist mein Thema. Es war außerdem etwas, mit dem ich mich schon länger beschäftigt hatte, zwar nicht ausschließlich mit Energie, aber in Kombination mit Ökologie. Ich hatte davor ein Theaterstück geschrieben, über Nachhaltigkeit, das in Dortmund aufgeführt wurde und war stark mit dem Thema Umweltschutz und Umweltzerstörung befasst.

Corinna Milborn: Ich habe mich bereits jahrelang mit Energiethemen befasst, ich war ja früher bereits beim WWF im Energiebereich. Fukushima war ein weiterer Auslöser. Ich bin mit Tschernobyl aufgewachsen, da wir ich 13, in einem Alter, wo man politisch bewußt etwas wahrnimmt. Die Klimakatastrophe hat ein Fenster aufgemacht, das immer noch offen ist. Fukushima hat dann dieses Gefühl verstärkt. Darum glaube ich, es war der richtige Zeitpunkt, ein Thema wie dieses zu thematisieren.

oekonews: Der Produzent hat da wirklich die "Produktionsrolle" beim Thema übernommen?

Corinna Milborn: Ja, wir führten bereits länger einige Gespräche. Das Energiethema lag schon lange in der Luft. Der Auslöser war dann das Problem in Fukushima. Wir wussten: Jetzt ist der richtige Zeitpunkt.

oekonews: Wie lange habt ihr für die Recherche gebraucht?

Corinna Milborn: Wir sind vor 3 Jahren gestartet, direkt nach Fukushima.

oekonews: Wie geht man da vor?

Hubert Canaval: Man tauscht aus, was einem bekannt ist und teilt die Recherche auf. Unser Ziel war, eher große Bereiche abzudecken, und alle Energieformen zu thematisieren, so komisch es klingen mag. Wir wollten auf keinen Fall, dass irgendeine Energieform, die im Film nicht vorkommt, für sich instrumentalisiert werden kann. Es könnte sofort passieren, wenn man z.B. nur über Erdöl etwas macht, dass die Atomlobby das für ihre Zwecke ausnützt oder umgekehrt.

oekonews: Wie seid ihr auf die Auswahl gekommen? Und zu den Menschen?

Corinna Milborn: Ich war eher dafür zuständig, die Themen aufzubereiten, festzulegen, was die wichtigen Bereiche sind. Hubert hat dann die Entscheidung getroffen, es nicht zu monumental zu machen. Nicht David gegen Goliath, sondern sich auf die Leute zu konzentrieren, die es betrifft. Es interessiert nicht die Ideologie, sondern es ist wichtig, wie die Menschen, die dort leben, davon betroffen sind. So war auch die Suche nach den Protagonisten zu den Themen, das heißt, wir haben explizit nicht die Spezialisten oder Ideologen gesucht, die über ein Energiethema berichten, sondern ganz normale Menschen.

Hubert Canaval: Es war mir wichtig, die Entscheidungen so zu treffen, das man als Zuschauer nicht das Gefühl hat mit Problemen zu tun zu haben, die weit weg sind. Wie haben uns, wenn es exotische Möglichkeiten gab, immer für das nicht Exotische entschieden. Eben Fracking in Kanada, weil es ein demokratisches Land ist. Oder Ölsand: Wir sind bewußt nicht nach Nigeria gegangen oder nach Venezuela, um dort zu filmen. Wir wollten sehen, wie läuft es in einem Land, das erste Welt ist und eine Demokratie. Es war eine entscheidende Fragestellung, bewußt nicht mit vielleicht kulinarisch besser filmbaren Katastrophen zu arbeiten, wie Fukushima oder Deepwater Horizon, weil diese immer etwas Irreales haben. Wir haben versucht zu zeigen das ist Realität, das Problem ist Alltägliches für den Betroffenen.

Corinna Milborn: Ich habe bei der Recherche gelernt, dass diese Katastrophen eher etwas zudecken, weil sie der Ausnahmefall sind und die wahre Katastrophe im täglichen Alltag stattfindet.

oekonews: Ihr berichtet auch, das es keine Gesprächsbereitschaft von den großen Konzernen gab, da kamen einfach beinharte Absagen?

Corinna Milborn: Es gab verschiedenste Arten von Absagen, das ging von wirklich "Dazu kein Kommentar!" bis zu "Leider geht es im Moment nicht, vielleicht in vier Wochen." Das waren klare Verschleppungstaktiken, mit "Melden sie sich in 2 Monaten." "Tut uns leid, im Augenblick nicht" und immer so weiter. Wir hatten wirklich genug Zeit - aber die Ölkonzerne haben es bewußt verschleppt.

Hubert Canaval: Man bekommt sehr höfliche Antworten, sogar mit Brief, z.B. von der Shell Europa Zentrale, aber wenn man dann mit Shell USA einen Interviewtermin haben möchte, wird am Telefon gesagt: "Wir rufen zurück!" Und dann wird gebeten, eine Nummer zu hinterlassen. Man gibt seine Nummer bekannt, der Rückruf kommt jedoch nie. Urgenzen helfen nicht.

Corinna Milborn: Für mich als Journalistin war das erstaunlich, weil man das so nicht gewöhnt ist. Man wird ja sonst von den Konzernen eingeladen, die machen Pressekonferenzen, die wollen Interviews geben, sind schnell errreichbar. Und plötzlich war das Gegenteil der Fall. Bei einem Dokumentarfilm war ihnen offensichtlich klar, wohin es laufen kann.

oekonews: Das ist eigentlich sehr ungeschickt, z.B. bei der OMV im Weinviertel bei der Veranstaltung im Film - Laufen sie da nicht gegen die Wand?

Corinna Milborn: Ja, wir haben ihnen das sogar gesagt - trotzdem gab es keinen Kommentar. Eigentlich spricht das dann nicht dafür, dass sie tatsächlich offen zu ihrer Methode von Fracking stehen.

oekonews: Thema Schiefergas- ist das wirklich wirtschaftlich?

Hubert Canaval: Der größte Teil des Abbaus passiert in den ersten zwei Jahren, dann flacht es extrem ab. Das heißt man kann nicht davon ausgehen, auf Dauer jedes Jahr gleich viel zu gewinnen. Man kann nicht die Menge Gas, die man aus einem Frackingfeld bekommt, auf 10 Jahre hochrechnen. Es ist ein Irrtum, den viele Unternehmen gemacht haben, als investiert wurde. Darum stellt sich mittlerweile dieses ganze Fracking als eine ziemliche Blase heraus. Außerdem ist, weil es plötzlich mehr Gas gab in den USA, der Gaspreis gefallen und Fracking wurde damit unwirtschaftlicher.

Man kann sagen, das angenommene Rechenmodell stimmt nicht, weil beide Faktoren nicht berücksichtigt wurden.

oekonews: Was wir sehr gut finden, ist das Aufzeigen von dezentraler Energiegewinnung- ist dies nicht unrealistisch?

Hubert Canaval: Es gibt unzählige Beispiele, bei denen es einfach funktioniert. Wolfgang Löser und die Gemeinde Murau sind nicht die Einzigen. Gerade in Österreich und Deutschland gibt es viele umgesetzte Projekte.

oekonews: Wäre es nicht wünschensweit, wenn solche Initiativen auch vom Verbund oder von der OMV kämen? Das man sich dazu Geschäftsmodelle ausdenkt?

Corinna Milborn: Ich glaube es liegt daran, dass die Konzerne einfach eine klare Aufgabe haben, und zwar möglichst viel Gewinn zu machen. Und möglichst viel Gewinn erreicht man mit vielen Abnehmern, die am Netz hängen oder zu den Tankstellen fahren müssen. Daher kommt auch das Bedürfnis nach großen Netzen, weil damit die Menschen weiter abhängig sind und Energie einfach via Stromautobahn kreuz und quer transportiert werden kann und gleichzeitig die Gewinne größer sind.

Der zweite Aspekt sind die Investitionen in neue Anlagen, große Anleger investieren lieber in große Infrastrukturprojekte, weil der Finanzmarkt volatil geworden ist. Das sind z.B. ganz große Versicherungen oder Pensionsfonds. Sie haben das Bedürfnis, in Infrastrukturprojekte zu investieren, von denen in den nächsten 30 bis 40 Jahren sehr viele Menschen abhängig sind. Unabhängigkeit geht da natürlich gar nicht, für solche Investitionen läuft Dezentralität genau in die falsche Richtung.

Ihr Gewinn schwindet dahin, wenn die Menschen mit einer eigenen Solarstromanlage am Dach vollends unabhängig sind. Das heißt, solche Anleger haben logischerweise Interesse an möglichst zentralisierten Energieformen.

Investitionen in erneuerbare Energien sind für diese Großinvestoren fast immer Großprojekte, wie z.B. gigantische Offshore-Windparks, keine kleineren Windparks am Land, nicht Kleinwasserkraft sondern große Dämme.

Und Downsizing, zu kleineren Projekten, heißt dann immer dezentralisiert, dafür sind viele kleine Investitionen notwendig statt einer Großen. Unterschiedliche Entwickler, nicht ein Großer.

oekonews: Es gibt auch die Ideen der Ressourceneffizienz und von weniger Wachstum- lässt sich das mit mehr Energieverbrauch vereinbaren?

Corinna Milborn: Es gibt fast nichts, was so stark gekoppelt ist mit dem Wachstum wie der Energieverbrauch.

Hubert Canaval: Es geht grundsätzlich eigentlich um eine andere Frage: Wie weit sind Lebensqualität und Lebensstandard fast zwangsweise mit Wachstum ineinander verkoppelt und wie weit müsste man das voneinander trennen. Welche Kriterien finden wir für Lebensqualität? Diese Diskussion ist ganz wichtig. Es ist zwar nicht unbedingt das Thema in unserem Film, aber spielt natürlich beim Energiethema eine Rolle. Die Fragen sind: Für wen wächst die Wirtschaft? Ist erneuerbare Energie rentabel? Für wen ist sie rentabel? Wenn Leute am eigenen Dach ihren Strom erzeugen, dann ist es für diese Menschen ein Gewinn, für einen Energiekonzern ist es aber nicht mehr rentabel. Ich verstehe schon, wenn ein Energiekonzern dann sagt: Das rechnet sich nicht, weil der Strompreis an der Strombörse in Leipzig rutscht damit in den Keller. Der Strompreis dort war vor 3 Jahren bei 8 ct im Durchschnitt und jetzt ist er weit tiefer, bei 3 ct. Da ist der Ausbau der erneuerbaren Energien natürlich ein Grund für diesen Preisverfall.

Corinna Milborn: Derzeit ist es so, dass politische Entscheidungen sehr oft von großen Konzernen beeinflusst sind, hier müsste mehr Demokratie ins Spiel kommen. Wir können uns auf Dauer nicht so leicht davonstehlen und sagen: "Wir haben keine echte Demokratie." Man muss lernen, das zu nützen, was man hat. Man lässt sich einfach noch zuviel gefallen. Wenn man sich mit der Thematik wirklich im Detail beschäftigt zeigt sich ganz klar, das dezentrale Energieformen für die Menschen das Bessere sind. Wir lassen die Politik zu leicht aus der Verantwortung, weil diese sich immer dorthin wendet, wo der meiste Druck herkommt. Ich glaube, da kann man noch sehr viel machen. Man kann politisch anders entscheiden, als jetzt entschieden wird. Derzeit ist es z.B. auf EU-Ebene so, dass die großen Konzerne zuviel Macht haben bei politischen Entscheidungen, dass die Entscheidungen immer zugunsten der Großen ausgehen. Mit der EEG-Novelle, die in Deutschland gerade in der Diskussion ist, wird das ganz deutlich.

Hubert Canaval: Wir haben bewußt alle Energieformen ins Spiel gebracht. Wir wollten nicht, das wir z.B. über Erdöl etwas machen und dann kommt die Atomlobby und sagt wir sind C02 frei.

oekonews: Was meint ihr zu der Meinung, es gebe immer noch genug fossile Energien, Ölsande oder Fracking? Also genug fossile Energie für die nächsten Jahre?

Corinna Milborn: Ich finde die Frage, ob es einen Peak gibt oder nicht, eigentlich nicht entscheidend. Das ist vielleicht für die Ölkonzerne interessant, damit sie wissen, wie lange sie noch weitertun können. Aber für die wesentliche Frage, welche Energieformen wir als Gesellschaft benützen können, ist es egal.

Was der Film zeigt ist: Es gibt Menschen, die sich ganz wesentlich mit dieser Frage auseinander setzen. Wir haben Gemeinden, die sich überlegen, wie können sie sich von fossiler Energie abkoppeln. Es gibt einzelne Personen die bereits handeln.

Wir sehen z.B. beim Hausbau, es gibt durchaus bereits Menschen, die bereit sind dafür Geld in die Hand zu nehmen, damit sie sich von fossiler Energie abkoppeln und bewußt keine Gas- oder Ölheizung mehr einbauen. Das ist keine reine Marktentscheidung. Ich finde schon, das da eine Bewegung zu sehen ist. Das ist ein Zeichen, das bereits ein Fenster offen ist.

Hubert Canaval: Für mich gibt es neben all dem, was ich bei den Aufnahmen gesehen habe und was mich unendlich entsetzt hat, sehr sehr viel Mut. Es sind die Menschen, die mit unglaublicher Klarheit und Schlichtheit Dinge benennen und aussprechen und dadurch sehr wahre Dinge sagen. Das hat mir einfach Mut gemacht.

oekonews: Warum passiert nicht mehr? Warum wollen manche weiter auf die "ALTEN" Energieformen setzen?

Hubert Canaval: Das ist eine schwierige Frage.

Ich habe die Vermutung, dass alle, die da letztlich wirtschaften, auch Gehetzte sind. Sie wissen, sie müssen irgendwann auf einen anderen Zug aufspringen. Sie denken sich ja nicht, wie kann ich die Welt zerstören, sondern wie kann es irgendwie weitergehen. Sie fragen sich auch, was könnten wir versäumen? Natürlich besteht die große Angst, den Anschluss nicht zu erwischen.

Corinna Milborn: Das ist auch einer der Gründe, warum Fracking plötzlich in Europa am Tablett steht, weil es diese Vorstellung gibt, man könnte im Vergleich zu den USA zurückfallen. Da läuft ein gewisser Wettbewerb zwischen den Ländern und den Kontinenten.

Hubert Canaval: Meine "Lieblingszahlen" sind die jährlichen Außenhandelsbilanzdefizite im Bereich Energie, 2012 waren es 13 Mrd. Euro! Dieses Geld fließt für fossile Energie ins Ausland. Dieses Defizit steigt kontinuerlich jedes Jahr an. Das ist ein Potential, das wir haben. Wenn es Österreich gelingen würde, energieautark zu werden würde dieses Geld dann im eigenen Land bleiben. Das wäre für heuer dann ungefähr jener Betrag der beim Worst Case-Szenario dem Verlust bei der Hypo-Alpe-Adria entspricht. Eine immense Geldsumme, die wir nicht ans Ausland zahlen würden, sondern die stattdessen der Wirtschaft in Österreich zugute käme.


OEKONEWS-Bericht zu Macht Energie
Webseite des Films: machtenergie.at


Das Interview führten Doris Holler-Bruckner und Daniel Hackenberg für OEKONEWS.


Artikel Online geschaltet von: / hackenberg /