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Mehr Öffis, Radfahrer und Fußgeher in Wien?

KEINE großen Veränderungen am Wiender Modal Split im Jahr 2014 zugunsten der Öffis - Parallelen zu 5 Jahre Wiener Verkehrskonzeption im Jahr 1985

Nach ersten Berichten zum Wiener Modal Split 2013, die vor kurzem vorgestellt wurden, gab es keine positiven Veränderungen bei den Öffis, Fußgehern und Radfahrern. Einen Tag zuvor war in einem Presse-Bericht von "Fußgänger-Highways" zu lesen. Gibt es Paralleln zu Ereignissen in den vergangenen Jahren? Sind Fußgänger-Highways eine Lösung?

1985: 5 Jahre Wiener Verkehrskonzeption

Peter Wünschmann (damals zuständig für die U-Bahn-Planung bei der MA 18) schrieb, aufgrund der steigenden Zahl der Autos (1985):

"Man hat den Eindruck, daß die meisten als richtig erkannten Ergebnisse im Alltag der Politik und der Verwaltung auf außerordentliche Widerstände stoßen, daß bittere aber um so notwendige Wahrheiten nur ganz langsam in die Köpfe der politisch Verantwortlichen, wie der Betroffenen eindringen. Falsch verstandene Rücksichtnahme z.B. auf vermeintliche Interessen der Autofahrer (Meinungsbilder und Wechselwähler) lähmen, Egoismen regieren. Eine informierte Öffentlichkeit, die fachlich kompetente Aufarbeitung der Probleme in Zeitungen und Rundfunk fehlen weitgehend. So könnten wichtige Einsichten nicht Fuß fassen,.."

Zur flächendeckenden Verkehrsberuhigung meinte Wünschmann damals:
"Gemäß Verkehrskonzeption und STEP ist die geforderte Bündelung des Individualverkehrs auf bestimmte, dazu geeignete bzw. dafür auszubauende Straßen untrennbar mit flächendeckender Verkehrsberuhigung zu verbinden. In der Praxis konnte dieser Zusammenhang bisher nur in Sonderfällen hergestellt werden."

In Punkto Bevorzugung Straßenbahn kritisierte er, dass dies oft nicht zu Lasten des individuellen Verkehrs geschah.

Zum Ausbau der erforderlichen Radwege verwies er auf Graz. Diese Stadt hatte im Vergleichszeitraum 1980 bis 1985 wesentlich mehr geschaffen.

Stadt der Fußgeher

Es sollte nach dem notwendigen Primärstraßennetz, Sammel- und Anliegerstraßen unterschieden werden. Vorschläge dazu gab es bereits von Victor Grün, Roland Rainer oder Leopold Kohr, wie z.B. "Umweltoasen" oder "die Stadt der Plätze" etc.

Durch Umgestaltungen soll das Bedürfnis entfallen, das Grätzl zu verlassen. Alle 100 bis 150 m sollen Verweiloasen, Umweltoasen, lokale Zentren entstehen.

"Stadt der Fussgänger"

In diesem Buch der MA 19 heißt es von Seiten des damaligen "Stadtrates für Stadtentwicklung und Stadterneuerung":

"Die Okkupation des Straßenraumes durch den Autoverkehr hat dazu geführt, daß die Straße als Lebensraum, als Ort der Begegnung immer mehr an Bedeutung und Funktion eingebüßt hat. Die enorme Motorisierung der letzten Jahrzehnte hat die Verkehrsflächen für die Fußgänger immer mehr eingeschränkt. Die Verkehrsberuhigung in den Wohngebieten, de Rückgewinnung von Straßenraum für die Fußgeher, ist daher heute eine der wichtigsten Aufgaben der Wiener Verkehrspolitik. Was mit den großen Fußgängerzonen in der Inneren Stadt und in Favoriten begonnen wurde, muß in verschiedenen Formen und Abstufungen weitergeführt werden."

Voraussetzung dafür ist die Verlagerung der parkenden Autos von der Oberfläche. Anrainerparken ist dazu eine völlig falsche Überlegung!!!

Im rot-grünen Koalitionsabkommen von 2010 heißt es auch:
"Die Errichtung von Wohnsammelgaragen wird besonders auf die Gründerzeitviertel und die dicht bebauten Stadtgebiete mit einem hohen Stellplatzdruck fokussiert. Dieser Bau von zusätzlichen Abstellplätzen soll eine Verlagerung von PKW-Dauerstellplätzen in Garagen und substanziell mehr Platz an der Oberfläche für die Menschen, den Radverkehr und den Öffentlichen Verkehr schaffen. Weiters soll der Bau von Wohnsammelgaragen, vornehmlich an Standorten geschehen, die bereits versiegelt sind. Dazu sollen entsprechende Konzepte erarbeitet werden."

Stadt der Plätze

Stadt-Flanierrouten durch mehrere Bezirke und die Verknüpfung der Peripherie mit dem Zentrum erinnert an die Sprüche der Wiener Linien in der Zeit der vergangenen Jahrzehnte bzw. im Jahr 2013/2014 im Zusammenhang mit dem Ausbau der U-Bahn noch Oberlaa (,... in XY Minuten am Stephansplatz,...).

Dem Buch "Probleme der Stadt. Gedanken zur Stadt- und Verkehrsplanung" von Leopold Kohr aus dem Jahr 2008 vom Otto Müller Verlag ist zu entnehmen:

"Ein Gemeinwesen ist nicht nur dann eigenständig, wenn niemand sich in andere Gegenden begeben muß, um seinen täglichen Aktivitäten nachzugehen, sondern auch wenn niemand sich dorthin begeben will. Das ist zur Hälfte keine Frage der Ökonomie, sondern der Psychologie. Deshalb wird eine Fülle an kleinen Läden um die Ecke die Anziehungskraft des weiter entfernten Supermarkts nicht verringern, solange letzterer etwas zu bieten hat, was eine Ansammlung kleiner Läden nicht bieten kann: die Möglichkeit, wie in einer Buchhandlung in einer reichhaltigen Auswahl zu stöbern, was einem das befriedigende Gefühl von Überfluß verschafft, selbst wenn man nichts kauft.

Genau das hatte der alte Markplatz zu bieten, der nicht das gleiche ist wie eine Plaza,... Eine der Antworten auf das Problem lokaler Eigenständigkeiten ist deshalb die Schaffung von Marktplätzen, die, wollen sie der Anziehungskraft von Supermärkten entgegenwirken, so zahlreich sein müssen, daß die große Mehrheit der Bevölkerung alles bekommt, was sie haben will, ohne sich zu weit von ihrem Zuhause entfernen zu müssen,...

Die Eigenständigkeit kleiner Loklalitäten innerhalb des Kontexts einer Metropole hängt deshalb in erster Linie davon ab, daß es wie bei einer Getränkekiste viele identische Marktplätze gibt, die einen ansonsten lawinenartigen Verkehrsstrom verteilen, und nicht ein Kanalsystem von Straßen, die an einem einizigen geselligen oder zum Einkaufen gedachten Platz konvergieren,..."

Barcelonas Supermanzanas

An die Stadt der Plätze knüpft z.B. Gracia an. Barcelona hat angekündigt, weitere Stadtteile nach diesem Modell menschengerecht umzugestalten.

Weitere Details finden sich auf der Homepage von BCNecologia und z.B. auf:
www.elperiodico.cat/ca/noticias/barcelona/bcn-acota-cotxe-per-complir-limit-pollucio-europeu-2018-3160602
www.elperiodico.com/es/noticias/barcelona/bcn-cortara-trafico-algunas-calles-fin-semana-3137951

Keine Frage, in Wien ist vieles positiv. Bei den Bewertungen im internationalen Städtevergleich belegte Wien in den letzten Jahren immer den ersten Platz. Aber warum nicht einfach auf das Wissen und Lösungen aus den vergangenen Jahren zugreifen? Hier bieten sich die Konzepte der MA 19 an. Bereits in den 1970er Jahren gab es Überlegungen zur Fußgängerzone Mariahilfer Straße. Diese wird demnächst Realität. Aber was ist mit Überlegungen zur FUZO Wiedner Hauptstraße? Weiteres fimdet sich z.B. in: "Stadtraum erleben. Gestaltung öffentlicher Räume in Wien" aus dem Jahr 1993 (diverse Beispiele für die Rückgewinnung von Plätzen und Straßen).

Planungen, wie in den 1960er Jahren

Der bewußte, zukunftsorientierte sowie ehrenamtlich engagierte Bürger fragt sich, wer in Wien Planungen mit Wissensstand der 1960er Jahre ausführt oder, warum insbesondere die MA 46 menschengerechte Umgestaltungen der Oberfläche blockiert. Als generelle Beispiele für falsche Vorstellungen und Planungen können u.a. genannt werden:

1) tote Erdgeschosszonen im Sonnenwendviertel (diese Zone sollte das Grätzl eigentlich beleben) sowie Durchzugsstraßen für den Verkehr

2) Schaffung von Stellplätzen im Neubau: richtig und zeitgemäß wäre komplett autofreies Wohnen, Arbeiten und Einkaufen ohne Ausgleichsmaßnahmen für Stellplätze und ohne jegliche Stellplätze im Keller (im Bestand müssen Fahrzeuge in Sammelgaragen am Siedlungsrand geparkt werden und die Oberfläche zurückgewonnen werden), Parken an der Oberfläche im Neubau sollte komplett verboten werden (siehe negativ Beispiele rings um den Rudolf Bednar Park - Garagen im Keller, bis zu 4 Spuren für Autos an der Oberfläche, ebenfalls tote Erdgeschosszonen)

3) Radweg auf dem Gehweg im 08. Bezirk (siehe Foto; die Bezirksvorsteherin war einmal "Energieexpertin" im Büro des Umweltministers Pröll - auch angesichts des Klimawandels und Peak everything ist solche Planung nicht mehr zulässig; im Maßnahmenkatalog öffentlicher Raum, den Bürgerinnen und Bürger im Rahmen der Agenda 21 erstellten, wurde hier ein neuer Platz vorgeschlagen)

4) Wohnstraßen rund um den Lichtentalerpark lehnte im Jahr 2010 ein Vertreter der MA 46 ab

5) zu kurze Grünphasen für Fußgeherinnen und Fußgeher (hier meinen Beamte, dass es zu Benachteiligungen der Autonutzer kommen könnte - wer ermöglicht einen freien Zugriff auf Daten zu den Grünphasen der MA 33?)

6) "Paste & Copy" Taste der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der MA 46 (z.B. Wohnstraße nicht notwendig, normaler Verkehr)


Gleiches trifft auf Maßnahmen oder die Erstellung neuer Konzepte zu, sofern es diese nicht schon mit ähnlichen Erkenntnissen in den Schublade gibt. Zum Teil wurden Konzepte für den öffentlichen Raum im Rahmen der Agenda 21 erstellt- aber leider nicht umgesetzt. Resümee: Beteiligte Bürgerinnen und Bürger wandten sich von diesen ehrenamtlichen Tätigkeiten ab.

Ebenso erstaunt es Bürgerinnen und Bürger, wenn Konzepte für Wien (siehe Umsetzung in Barcelona) auf Desinteresse örtlicher Poltikerinnen und Poltiker stossen. Siehe Studie für den 15. Bezirk:

Verkehrskonzept 15 : zeitlich gestaffelte Umsetzung des Äquidistanzmodells am Beispiel Wien 15
"1">www.ub.tuwien.ac.at/dipl/2009/AC05040220.pdf

Überlegungen sind auch bei den Zuständigkeiten sowie Zuweisungen von finanziellen Mitteln notwendig:
- Radwege zu Lasten des MIV und menschengerechte Umgestaltungen sind von vielen Wienerinnen und Wienern gewollt - lokale Politikerinnen und Politiker blockieren dies aber aus Parteiinteressen (Gespräch mit einer ÖVP-Bezirksvorsteherin: "Ich fahre sehr gern Rad - aber nicht in Wien, hier ist es zu gefährlich")
- Schaffung einer neuen FUZO im 08.Bezirk: gewisse lokale Politikerinnen und Politiker sowie Beamte der Stadt Wien blockieren - finanzielle Mittel zur Umgestaltung fehlen parallel dazu auf Bezirksebene
,...

Finanziell unterstützte Spaziergänge und Kaffeekränzchen ersetzen keine baulichen Maßnahmen!


Artikel Online geschaltet von: / wabel /