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Wirksamer Klimaschutz abseits von UN-Konferenzen

Mannsberger: Ausschöpfung der forstlichen Nutzungsreserven essentiell

Neue Einblicke zum Thema Klimawandel und dessen Folgen bot die Veranstaltung "Nachhaltiger Klimaschutz" des Österreichischen Biomasse-Verbandes am 26. Mai in Wien. Hochkarätige Experten beleuchteten den Klimawandel aus verschiedenen Blickwinkeln und stellten den gut 150 Tagungsteilnehmern Gegenmaßnahmen vor, die erfolgreicher sein können als internationale Klimakonferenzen. Deutlich wurde die Bedeutung des Waldes und dessen nachhaltiger Bewirtschaftung für den Klimaschutz.

Klimawandel aus Satellitensicht: Atemberaubend und gruselig

Anhand neuer Satellitenbilder zeigte Dr. Josef Aschbacher, Leiter des Koordinierungsbüros für Erdbeobachtungen der Europäischen Weltraumorganisation ESA, eingangs das Voranschreiten des Klimawandels auf. Eine beeindruckende Animation machte die drastische Abnahme des Arktiseises zwischen 1980 und 2010 sichtbar. Auch der Eisverlust der Antarktis ist dreimal höher als noch in den 1990er-Jahren. "Drei Jahre Messungen mit CryoSat zeigen, das die Eisdecke in der Antarktis jährlich um 159 Milliarden Tonnen abnimmt", erklärte Aschbacher. "Allein diese Schmelze lässt den Meeresspiegel jedes Jahr um einen halben Millimeter ansteigen."

Über 20 Jahre herrschte zwischen Forschern Uneinigkeit darüber, ob das Grönlandeis zu- oder abnehme. Mittels Einsatz von zehn Satelliten konnte die ESA in Kooperation mit der NASA kürzlich für Klarheit sorgen: Es stellte sich heraus, dass es zwar im Binnenteil der Insel infolge von Niederschlägen zu einer Zunahme des Eises gekommen ist. Diese ist aber deutlich geringer als die dramatische Abnahme an den Rändern Grönlands.

"Atemberaubend und gruselig" nannte Prof. Martin Jänicke, Gründungsdirektor des Forschungszentrums für Umweltpolitik der Freien Universität Berlin, diese Klimatrends. "Ohne zusätzliche Maßnahmen erwärmt sich die Erde bis 2100 um 3,7 bis 4,8 Grad Celsius", warnte der Review-Editor des jüngsten Weltklimaberichtes. "Klimaschutz hat ein breites Spektrum möglicher positiver Nebenwirkungen", hob Jänicke hervor. Als solche hat der Weltklimarat 17 Co-Benefits ausgemacht, darunter geringere Energiekosten, Versorgungssicherheit, Wettbewerbs- und Beschäftigungs-effekte über Umweltentlastung bis zum verringerten Wasserverbrauch und zur Sicherung der Ernährungsbasis. Dies sehen auch die EU-Bürger so. Laut einer aktuellen Umfrage stimmen 80 % der Befragten zu, dass Klimaschutz und effiziente Energienutzung die Wirtschaft ankurbeln und Jobs schaffen. In keinem EU-Mitgliedsstaat lag die Zustimmung unter 65 %.

Pionierländer stoßen gewaltige Innovationsprozesse an

Hoffnungen bereiten Jänicke nicht die UN-Klimakonferenzen, sondern sich aufschaukelnde Innovationsprozesse in Pionierländern und -regionen. "Lesson Drawing" heißt der Prozess, bei dem ein Pionierland eine Erneuerbare-Energien-Technologien erfolgreich einsetzt und andere Länder diese dann nachahmen", erklärte Jänicke.

Als Beispiel führte er das mehrmalige Hinaufsetzen der 2020-Ziele für erneuerbaren Strom in Deutschland von 20 % auf 40 %. Als ein anderes die zwischen 2005 und 2012 von etwa 50 auf fast 140 gestiegene Anzahl von Ländern mit Zielen für den Ausbau erneuerbarer Energien. China hat seine Ausbauziele für Windkraft bis 2020 innerhalb von zehn Jahren fünfmal erhöht, von 20 auf 200 GW (s. Abb. 2). "Die chinesischen Provinzen wollen ihren Kohleeinsatz stark reduzieren. Außerdem ist die Einführung eines Emissionshandels geplant", berichtete Jänicke, der in den vergangenen Jahren auch als Berater der chinesischen Regierung tätig war. "Staaten oder Regionen wollen nicht mehr auf die Ergebnisse der Klimakonferenzen warten und sich etwas vorschreiben lassen. Sie wollen ihren eigenen Weg gehen", sagte Jänicke. Die lokale Ebene entwickele eine besondere Dynamik.

Einhaltung der 2-Grad-Grenze unrealistisch

Prof. Franz Josef Radermacher vom Forschungszentrum für anwendungsorientierte Wissensverarbeitung machte deutlich, dass er die Einhaltung der 2GradC-Obergrenze nicht mehr für realistisch hält und kritisierte die Verschiebung eines Post-Kyoto-Abkommens auf 2020: "Dadurch haben wir acht Jahre verloren". Auch Radermacher zeigte Wege abseits der Klimaverhandlungen auf. Ein "Global-Neutral"-Programm soll weltweit Unternehmen motivieren, sich freiwillig klimaneutral zu stellen. Neben der Erhöhung der Energieeffizienz, der Nutzung erneuerbarer Energien und der Änderung individueller Verhaltensweisen bieten sich hierfür insbesondere die Erzeugung von Negativemissionen durch weltweite Aufforstungen und deren nachhaltiger Nutzung sowie die Stilllegung von Emissionsrechten an. Radermacher forderte auch die Tagungsteilnehmer zum Kauf von CO2-Emissionszertifikaten auf, um so den wirkungslosen Preis von 5 Euro/Tonne anzuheben und den eigenen ökologischen Fußabdruck zu verbessern. Als "Leuchtturmprojekt" nannte Radermacher das Klima-Neutralitäts-Bündnis Vorarlberg, bei dem Unternehmen bis 2025 die CO2-Neutraltiät im "Ländle" erreichen wollen.

Frieden durch erneuerbare Energien

"Energiesparen und erneuerbare Energien sind die moralische Alternative zu einem Krieg", zitierte Militärstratege Gerald Karner, Aventus GmbH, den ehemaligen-US-Präsidenten Jimmy Carter. "Verknappen sich die zur Energieproduktion benötigten Ressourcen - oder wird dies künstlich herbeigeführt - steigen die Spannungen zwischen Ländern mit einem Mangel an diesen und solchen, die darüber verfügen", erläuterte der Militärexperte und führte als Beispiele die Ukraine-Krise und den Konflikt zwischen China und seinen Nachbarn um Ölfelder im Südchinesischen Meer an.

"Fossile und vor allem atomare Energieversorgungssysteme weisen eine hohe Verwundbarkeit gegenüber Terroranschlägen und Naturkatastrophen auf. Bei erneuerbaren Energien ist diese geringer, vor allem wenn diese verbrauchernahe bereitgestellt werden", sagte Karner. Neben der Verminderung von Abhängigkeiten, Verwundbarkeiten und Konfliktpotenzialen tragen die erneuerbaren Energien auch zur Überwindung der Energiearmut in Entwicklungsländern und damit zu deren Stabilisierung bei. "Der strategische Wert erneuerbarer Energien ist leider bisher kaum erkannt beziehungsweise berücksichtigt worden", bedauerte Karner.

Kaliforniens Traum vom Schieferöl geplatzt

Wie Karner verwies auch Politik- und Strategieberater Georg Günsberg darauf, dass die fossilen Energieimporte Österreichs zu einem Großteil aus einer politisch instabilen Zone mit einer großen Zahl aktueller Krisenherde kommen. "Schiefergas und -öl werden keinen entscheidenden Beitrag zur Reduktion der fossilen Energieimportabhängigkeit leisten können. Ihre Nutzung ist sowohl mit ökologischen wie auch mit wirtschaftlichen Risiken verbunden", unterstrich Günsberg. Die erhöhte Öl- und Gasproduktion der USA sei gewaltig - fraglich sei aber, wie lange sie auf diesem Niveau gehalten werden könne.

68 % der gesamten US-Schiefergasproduktion stammen aus drei Feldern, 74 % der Schieferölerzeugung aus zwei Feldern. Ohne das Schiefergasfeld Marcellus wäre der Höhepunkt der Schiefergasförderung in den USA bereits im August 2012 erreicht worden. "Der deutliche Anstieg des US-Gaspreises in den vergangenen beiden Jahren zeigt, dass das geringe Preisniveau auf Dauer nicht haltbar sein wird, denn auch die Kosten für Fracking sind entsprechend hoch", informierte Günsberg. "Die 'Low Hanging Fruits' sind bald geerntet."

Vor wenigen Tagen erlebte beispielsweise Kalifornien einen herben Rückschlag. Die US-Energiebehörde EIA musste die Schätzung für förderbare Reserven des wichtigsten Schieferöl-Gebietes Monterey um 96 % herunterstutzen. Der kalifornische Traum des Ölgeschäftes mit zwei Millionen neuen Jobs und Steuereinnahmen in Milliardenhöhe ist vorerst geplatzt.

Volkswirtschaftliche Schäden durch Naturkatastrophen vervielfacht

Mit den volkswirtschaftlichen Folgen des Klimawandels setzte sich Dr. Kurt Weinberger, Vorstandsvorsitzender der Österreichischen Hagelversicherung, auseinander. Während sich die Zahl der weltweiten Naturkatastrophen seit 1980 in etwa verdoppelt hat, kam es bei der Summe der durch sie verursachten Schäden zu einer Vervierfachung auf etwa 200 Mrd. US-$ pro Jahr (s. Abb. 3). "Die jährlichen Kosten des Klimawandels könnten auf 20 % oder mehr des erwarteten globalen Bruttoinlandsprodukts ansteigen", warnte Weinberger. "Die Landwirtschaft ist dabei Klimaopfer Nummer eins." Weinberger beklagte darüber hinaus den zunehmenden Verlust landwirtschaftlicher Nutzflächen, der um 50 % höher sei als in Deutschland.

Dass auch der Wald von den Klimaextremen besonders betroffen ist, hoben Waldbau-Professor Manfred Lexer, Universität für Bodenkultur Wien (BOKU), und Gerhard Mannsberger, Leiter der Forstsektion im BMLFUW, hervor. Lexer prognostizierte vor allem der Fichte künftig Schwierigkeiten aufgrund von Trockenheit und Borkenkäferbefall. "Die für die Fichte geeigneten Standorte in Österreich dürften stark zurückgehen", erwartet Lexer. "Dagegen ist für die Buche eine Ausbreitung ihres Verbreitungsgebietes zu erwarten, auch wenn es auf im Osten der Republik für sie zu trocken werden könnte."

EU-Klimaziele nur durch Ausschöpfen der Biomasse-Potenziale erreichbar

Sektionschef Mannsberger betonte die Zunahme des Holzvorrats in Österreich, der in den vergangenen 50 Jahren trotz verstärkten Holzeinschlags um etwa 45 % gestiegen ist. Laut Österreichischer Waldinventur bieten 80 Mio. Vorratsfestmeter Durchforstungsreserven noch erhebliche Holznutzungspotenziale. "Das Ausschöpfen dieser Reserven ist zur Erreichung der EU-Vorgaben essentiell, ihr Abbau würde zugleich den Wert der verbleibenden Bestände erhöhten", unterstrich der Sektionschef. "Der Ersatz von fossilen Brennstoffen auch durch Waldbiomasse ist im Sinne der langfristigen Reduzierung der CO2-Emissionen sinnvoll und wichtig."

Mannsberger wies darauf hin, dass in der zweiten

Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls bis 2020 zusätzlich zum Wald auch Holzprodukte als Speicher in die Kohlenstoffbilanzierung miteinbezogen werden. Der nationale Referenzwert für Österreich für die Periode 2013 bis 2020 umfasst einen Gesamtpool von 6,5 Mio. Tonnen CO2, bestehend aus 4,4 Mio. Tonnen Holzprodukten und 2,1 Mio. Tonnen Biomasse.

Waldbewirtschaftung und Holznutzung schützen das Klima

Mathias Neumann vom Waldbau-Institut der BOKU stellte die Klimawirkung der Waldbewirtschaftung vor und setzte sich insbesondere mit den Folgen ihrer Intensivierung auseinander. "Eine verstärkte Holznutzung führt zwar kurzfristig zu einer zusätzlichen Kohlenstofffreisetzung, doch weil durch das Holz fossile Bau- und Brennstoffe substituiert werden, sind die Klimaeffekte positiv. Zudem führt eine Verringerung des Holzvorrats zu einer Erhöhung des laufenden Zuwachses der verbleibenden Bäume, wodurch noch mehr CO2 aus der Atmosphäre aufgenommen wird", erklärte Neumann.

Die Treibhausgasbilanz im Lebenszyklus der stofflichen und energetischen Holznutzung untersuchte Gerfried Jungmeier vom Joanneum Research. "Die kombinierte stoffliche und energetische Holznutzung kann eine sehr günstige Treibhausbilanz aufweisen, insbesondere dann, wenn fossile Rohstoffe und Energie ersetzt werden und das Holz aus nachhaltiger Waldbewirtschaftung stammt", informierte der Wissenschaftler. Beim Ersatz fossiler Brennstoffe durch Holzbrennstoffe werden bei Nutzwärme-Erzeugung die Treibhausgas-Emissionen um 85 bis 90 % reduziert. Die Gewinnung von Wärme und Strom führt zu Rückgängen zwischen 75 und 90 %; werden auch Treibstoffe erzeugt, werden 85 bis 90 % der Treibausgase eingespart.


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