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Ökostrom, Fakten statt Mythen

Ein Brief an die österreichischen Abgeordneten zum Nationalrat

Sehr geehrte Abgeordnete,

im Zusammenhang mit der Debatte um das Ökostromgesetz im Ausschuss für Wirtschaft und Industrie am 21.05.2008 erlaube ich mir Ihnen einige Informationen sowie Anmerkungen zusenden.

Auszug aus der offiziellen Zusammenfassung des Parlaments vom 21.05.2008:

"Dabei wies Bartenstein darauf hin, dass die Wasserkraft derzeit 20 Mill. t CO2 einspare, und informierte über die Kosten für die CO2-Reduktion pro Tonne im Hinblick auf die einzelnen Energieträger: 70 € bei der Windkraft, 165 € bei fester Biomasse, 170 € bei Biogas, aber 1.300 € bei Photovoltaik. Dennoch werde der Spielraum zur Förderung von Photovoltaikanlagen mit Hilfe des KLI.EN-Fonds deutlich vergrößert. Rohstoffabhängige Anlagen werden eine sichere Rohstoffversorgung nachweisen müssen."

"Ausdrücklich bekannte er sich zur Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung und kündigte ein Gesetz zur Förderung der Errichtung von Fernwärme- und Fernkälteleitungen mit 16 Mill. € pro Jahr an, wovon er sich eine CO2-Einsparung von 3 Mill. t pro Jahr erwarte."

Wirtschaftsminister Bartenstein und Abgeordneter Hannes Bauer (S) reagierten mit dem Hinweis darauf, dass Österreich höhere Ökostromanteile erreicht habe als Deutschland, obwohl es auf Atomstrom verzichte. Bartenstein sprach sich dafür aus, den Strom aus Wasserkraft generell als Ökostrom zu betrachten.’

(Quelle: www.parlament.gv.at/PG 21.05.2008

Informationen sowie Anmerkungen:

(Seit wann zählt Atomstrom zu Ökostrom? Handelt es sich ggf. nur um einen Fehler bei der Mitschrift?)

1) 1) Wie der Bericht ‘Evaluierung der Ökostromentwicklung und Ökostrompotenziale’ der E-Control GmbH vom 23.10.2007 auf der Seite 52 aufzeigt, geht der Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland im Gegensatz zu Österreich schneller von statten.

(Quelle: www.e-control.at//OEKOSTROM_EVALUIERUNGSBERICHT2007 25.05.2008)

Enstprechende Informationen über den Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland findet man neben Aussagen auf der Homepage des deutschen Bundesumweltministerium www.erneuerbare-energien.de bei der Agentur für Erneuerbare Energien e.V., welche ein Verein des deutschen Bundesverbandes Erneuerbare Energien e.V. ist.

2) Bei der Evaluierung des Ökostromgesetzes sind aus meiner Sicht die Ergebnisse der unterschiedlichen Erhebungen, welche durch das Lebensministerium (Österreichische Energieagentur) sowie das BMWA (E-Control GmbH) in Auftrag gegeben wurden, absurd.

Beim Vergleich des deutschen EEG mit unserem Ökostromgesetz darf ich Sie speziell auf die Zusammenfassung der Fakten ‘Erneuerbare Energien in Zahlen’ unter:
www.unendlich-viel-energie.de/Infomappe2007 aufmerksam machen. Daraus folgende Auszüge:

Für das Jahr 2006 wurden durch das deutsche EEG 5,7 Mrd. Euro Energieimporte vermieden. Erneuerbare Energien haben in diesem Jahr in den Bereichen Wärme sowie Strom in Deutschland 88,8 Mio. t CO2 eingespart. Insgesamt hat die Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien Schäden und damit volkswirtschaftliche Kosten von etwa 3,4 Milliarden Euro vermieden.

Die Erneuerbaren Energien haben den Verbrauchern damit bares Geld gespart, da dieser Betrag über der Fördersumme des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) liegt. Das Fördervolumen des EEG liegt derzeit bei rund 3,2 Milliarden Euro im Jahr.

Deutschland hat sein EU-Ziele für 2010 mit 12,5 % Strom aus Erneuerbaren Energien schon erfüllt. 2007 betrug der Anteil 14 % und dies, obwohl der Stromverbrauch wuchs. Nichts desto trotz müssen in Österreich und in Deutschland die Einsparung von Energie bzw. energieeffiziente Technologien forciert werden.

3) CO2-Vermeidungskosten
"Dabei wies Bartenstein darauf hin, dass die Wasserkraft derzeit 20 Mill. t CO2 einspare, und informierte über die Kosten für die CO2-Reduktion pro Tonne im Hinblick auf die einzelnen Energieträger: 70 € bei der Windkraft, 165 € bei fester Biomasse, 170 € bei Biogas, aber 1.300 € bei Photovoltaik. Dennoch werde der Spielraum zur Förderung von Photovoltaikanlagen mit Hilfe des KLI.EN-Fonds deutlich vergrößert. Rohstoffabhängige Anlagen werden eine sichere Rohstoffversorgung nachweisen müssen."
Quelle: www.parlament.gv.at/PG 21.05.2008

Nach Angaben der IG Windkraft betragen die CO2-Vermeidungskosten für Strom aus Windkraftanlagen (WEAs) 16 €/t CO2. Nach Ansicht der Interessenvertretung berücksichtigt die E-Control GmbH fälschlicher Weise nicht, dass Strompreise steigen. Demgegenüber stehen selbstverständlich steigende Materialkosten für den Bau von WEAs.

Für den deutschen (!) Strommix (im Bezug auf den Vergleich mit dem EEG) hat die Bundesregierung folgende Daten zur CO2-Vermeidung berechnen lassen:

Wasserkraft vermeidet 1088 g/kWh CO2; für 1 Tonne CO2-Vermeidung braucht man also 919 kWh

Windenergie vermeidet 862 g/kWh; für 1 Tonne CO2-Vermeidung braucht man also 1160 kWh

Photovoltaik vermeidet 683 g/kWh; für 1 Tonne CO2-Vermeidung braucht man also 1464 kWh

Biomasse vermeidet 748-1088 g/kWh; für 1 Tonne CO2-Vermeidung braucht man also 919 -1337 kWh

Geothermie vermeidet 1088 g/kWh; für 1 Tonne CO2-Vermeidung braucht man also 919 kWh

Soviel kostet eine Kilowattstunde und die Tonne CO2-Vermeidung für den deutschen Strommix:

Eine kWh kleine Wasserkraft (die EEG-Vergütung bekommt) hat im Jahr 2006 laut Bundesnetzagentur durchschnittlich 7,4 ct gekostet. Das macht 68 Euro/Tonne CO2-Vermeidung.

Eine kWh Windenergie hat im Jahr 2006 laut Bundesnetzagentur durchschnittlich 8,9 ct gekostet, das macht 103 Euro/Tonne CO2-Vermeidung.

Eine kWh PV 53 ct, das macht 776 Euro/Tonne.

Eine kWh Bioenergie 12,3 ct, das macht 113 - 164 Euro/Tonne.

Eine kWh Geothermie 12,5 ct, das macht 115 Euro/Tonne.

Die Daten der Bundesregierung bzw. des deutschen Bundesumweltministeriums sind in den verschiedenen Veröffentlichungen nicht einheitlich. Die Daten zu den CO2-Einsparungsfaktoren sind entnommen aus www.erneuerbare-energien.de/broschuere_ee_zahlen Seite 19.
Teilweise abweichende Angaben finden sich im EEG-Erfahrungsbericht der Bundesregierung (Langfassung) (S.36ff) unter www.erneuerbare-energien.de/erfahrungsbericht_eeg_2007 und wieder geringfügig andere in der Zusammenfassung des EEG-Erfahrungsberichts. Da offensichtlich gewisse Unsicherheiten bestehen.

CO2-Zertifikate kosten etwa 30 Euro/Tonne (Preise siehe http://www.eex.com/de/) d.h., diesen Wert muss man jeweils oben abziehen, denn ohne die Erneuerbaren Energien bräuchte man ja entsprechend mehr CO2-Zertifikate.

Eine aktuelle BMU-Studie kommt zu dem Ergebnis, dass jede eingesparte Tonne CO2 70 Euro Klimaschäden vermeidet (siehe www.erneuerbare-energien.de/erneuerbare_energien/ee_kosten_stromerzeugung.pdf Seite 22). Andere externe Kosten für z.B. vermiedene Strahlenbelastung durch Erneuerbare Energien, vermiedene Schwefeldioxidemissionen etc. werden hier nicht berücksichtigt.

Auch konventioneller Strom ist nicht kostenlos, sondern kostet inzwischen ca. 6 ct/kWh an der Strombörse. Wenn man also darauf hinaus will, wie viel die Erneuerbaren Energien mehr kosten als konventionelle, muss man den Preis, den man an Stelle des Erneuerbaren Energien-Stroms für konventionellen Strom zahlen müsste, abziehen.

Berücksichtigt man also die 100 €/t sowie zusätzlich die 0,06 Euro/kWh so ergeben sich CO2-Vermeidungskosten von:

Kleine Wasserkraft: minus 87 €/t CO2
Windenergie: minus 66 €/t CO2
Photovoltaik: minus 588 €/t CO2
Bioenergie: minus 16 bis minus 42 bis €/CO2 12,3 ct, das macht 113 - 164 Euro/Tonne.
Geothermie: minus 40 €/t CO2

Jetzt könnte man anstelle der 0,06 Euro/kWh noch 0,08 bis 0,09 Euro/kWh in Deutschland für den Bau neuer Kraftwerke annehmen. Dadurch würden die Vermeidungskosten weiter sinken.

Zum Vergleich eine Aussage von Fatih Birol, Chef-Ökonom der IEA, am 22. Mai 2008 in Brüssel:

‘Seit 2004 zahlen die europäischen Verbraucher Opportunitätskosten für Kohlenstoff von etwa 85 Euro pro Tonne CO2 in Form von beispielsweise höheren Steuern auf Fahrzeugkraftstoffe.’
www.euractiv.com/de/klimawandel/klimawandel-energie-agentur-stellt-rolle-markte-infrage/article-172625 23.05.2008

4) Kosten der Photovoltaik

Der Preis für Diesel schnellt auf Kosten von 1,50 Euro/l zu. Bei der Betrachtung der realen Kosten zahlte der Verbraucher im Jahr 2004 allerdings ca. 33 % weniger für Kraftstoffe als im Jahr 1970. (vgl. Szenarien der Raumentwicklung Österreichs 2030. Materialienband, ÖROK, Wien 2008)

Nimmt man ein Diesel Pkw mit einem Verbrauch von 7,5 Liter/100 km und einen Preis von 1,50 Euro/Liter bei 11 kWh/l an (82,5 kWh/100 km), so ergeben sich Kosten von 123,75 Euro/100 km.

Setzt man dem Diesel ein Elektroauto-Pkw mit einem Verbrauch von 20 kWh/100 km entgegen so ergeben sich Kosten bei 0,53 Euro/kWh für Strom aus Photovoltaik von 11,25 Euro/100 km.

Fazit:
Im Zusammenhang mit der Diskussion um steigende Spritpreise hoffe ich, dass Sie die Förderung von Alternativen zu dem bestehenden System, wie Mobilitätskarte, CarSharing auf öffentlichen Grund und Boden, den Bau von Sammelgaragen im gleichen Abstand zu öffentlichen Verkehrsträgern sowie den Ausbau der Öffis und die Einführung einer Umzugspauschale forcieren. Parallel dazu müssen im Bereich des MIV massiv Elektromobile sowie Stromtankstellen gefördert werden.

Beim Ausbau der Erneuerbaren Energien in Österreich sollten wir dem Vorbild des EEG in Deutschland folgen. Durch den Klimawandel bleiben uns nach Meinung österreichischer Experten 10 Jahre Zeit zum Handeln. Im Osten Deutschland wurde nach der Wende innerhalb von 10 Jahren eine hochmoderne Infrastruktur aufgebaut. Etwa 10 Jahre hat es gedauert, um die Schäden des 2. Weltkrieges zu beseitigen. Es liegt in Ihrer Entscheidung, zumindest bis zur nächsten Wahl, Österreich auf einen entsprechenden Weg zu bringen.

Mit freundlichen Grüßen
Karl D.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /