© Maschinenring OÖ.
© Maschinenring OÖ.

Rege Debatte um Thema Biokraftstoff

Sachliche Auseinandersetzung mit dem Thema Biosprit ist notwendig - AK meint, Biosprit keine Lösung fürs Klima - LK: Bauern können gleichzeitig Teller, Trog und Tank füllen

Arbeiten Biotreibstoff-Kritiker den Mineralöl-Multis in die Hände? Ist Biospritbeimischung eine Lösung fürs Klima?

"Wer trotz explodierender Ölpreise die Biotreibstoffe verdammt, arbeitet einzig und allein den Mineralöl-Multis in die Hände. Während sich der Ölpreis auf den internationalen Märkten innerhalb nur eines Jahrzehnts mehr als verzehnfacht hat und sich die Gewinnerwartungen der börsennotierten Ölkonzerne für heuer auf sagenhafte USD 417 Mrd. belaufen, beschränken sich die Kritiker noch immer darauf, alle Schuld an gestiegenen Preisen auf Biotreibstoffe und Biogas zu lenken. Dabei übersehen sie geflissentlich, dass Österreichs Bauern gleichzeitig Teller, Trog und Tank füllen können", erklärte heute Gerhard Wlodkowski, Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich, zur neuerlichen Kritik an der heimischen Produktion von Biotreibstoffen.

Die Flächen reichen aus

"Offenbar reicht es manchen Kritikern nicht, wenn ihnen die Wissenschaft vorrechnet, dass Bioethanol gegenüber Benzin rund 50% der Treibhausgase einspart, es reicht auch nicht, dass mehrfach klargestellt wird, dass in Europa nur 1,5% der Getreide- und Maisernte für Biotreibstoffe verarbeitet werden und offensichtlich ist es auch zu wenig, dass die Bauern für aus Übersee importierten Bioalkohol eine Nachhaltigkeits-Zertifizierung verlangen. Da muss die anhaltend einseitige Kritik noch andere als fachliche Gründe haben", ergänzte Wlodkowski und stellte klar: "Für Österreichs Bauern lautet die Reihenfolge: Teller, Trog, Tank. Und für alle drei Bereiche sind genügend Flächen vorhanden, um den notwendigen Bedarf zu decken."

Positiv-Saldo 20.000 ha

Zum bisher verfügbaren Flächenangebot von 600.000 ha Getreide und 270.000 ha Mais kommen mit dem heurigen Jahr rund 35.000 ha dazu, weil mit Jahresbeginn die EU-Verpflichtung zur Flächenstilllegung weggefallen ist. Benötigt werden im Schnitt rund 200.000 ha Brotgetreide bzw. Braugerste, fast 300.000 ha Futtergetreide, rund 70.000 ha gehen in den Export, vorwiegend nach Italien, 20.000 ha fallen für Saatgut an und für die in wenigen Tagen startende Bioethanolanlage in Pischelsdorf wird eine Bedeckung ausösterreichischer Produktion im Ausmaß von ca. 180.000 t Getreide angenommen, was einem Flächenäquivalent von 30.000 ha entspricht. Rechnet man zu diesen Flächen noch rund 180.000 ha Mais für die Fütterung, 40.000 ha für die Stärkeerzeugung, 30.000 ha für Biogas und etwa 11.000 ha für die neue Zitronensäureproduktion Jungbunzlauer in Laa/Thaya hinzu und stellt den gesamten Flächenbedarf dem Flächenangebot gegenüber, so bleibt ein Positiv-Saldo von ca. 20.000 ha.

"Wenn bis zur Getreide- und Mais-Ernte 2008 keine Wetterkatastrophen, wie extreme Hitze, Trockenheit, Hagelschlag oder Überschwemmung auftreten, kann man 2008 mit einer überdurchschnittlichen Ernte rechnen. Erfüllen sich die Ernteprognosen, ist in der Region Österreich, Slowakei, Ungarn ein Überschuss von rund 4 bis 8 Mio. t Getreide inkl. Mais zu erwarten, was einer bis zwei Gesamternten in Österreich entspricht", verwies Wlodkowski auf mögliche gute Ernteerwartungen.

Geld für Österreich oder für Ölmultis?

"Österreich, das 70% seines Energiebedarfs bereits importieren muss, steht nun vor der Entscheidung, das Geld im Inland zu investieren oder weiterhin ins Ausland abfließen zu lassen. Denn die Preisspirale bei fossiler Energie wird sich sicher weiter nach oben drehen. Inzwischen werden auch in realistischen Szenarien Preise von USD 150,- bis 200,- pro Barrel genannt. Dem gegenüber stehen die Biotreibstoffe, die Geld für Wertschöpfung, Investitionen und Arbeitsplätze in den Regionen und Geld für Unternehmen, Sozialversicherungen und nachhaltige Entwicklung im Inland bedeuten. Statt sich in überholter Klassenkampfrhetorik zu üben und stetig die Bauern zu prügeln, sollten die Kritiker erkennen, dass nur gemeinsame, intelligente und effiziente Nutzung aller eigenen Ressourcen den Österreichern hilft", so Wlodkowski.

Auf einer gemeinsamen Tagung der Arbeiterkammer und des Ökobüros übte Präsident Herbert Tumpel Kritik an der Biokraftstoff-Strategie. "Die Kraftstoffe aus pflanzlicher Produktion schaden der Umwelt mehr als sie nützen und treiben die Getreidepreise in die Höhe", meint Tumpel. "Angesichts der weltweiten Lebensmittelkrise und den dramatisch steigenden Preisen müsse die Regierung ihre Klimapolitik gründlich überdenken", so Tumpel. "Lebensmittel gehören auf den Teller und nicht in den Tank".

Zum Vorwurf der Landwirtschaftskammer, Biosprit-Kritiker arbeiteten der Mineralölindustrie in die Hände, sagte Tumpel: "Wir können damit nicht gemeint sein. Die Arbeiterkammer fordert in der Klimapolitik ganz klar die Vermeidung von Verkehr, die besondere Förderung des öffentlichen Personenverkehrs und die Verlagerung von Güterverkehr auf die Schiene. Auch in unserem Steuerkonzept wird dieser Ansatz mit einer besonderen Förderung von Pendlern, die auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen deutlich." Es gäbe, so Tumpel, weitaus kostengünstigere Möglichkeiten als Agro-Treibstoffe. Gerade diese würden einerseits durch teuere Förderungen des Staates und damit der Steuerzahler und andererseits von den KonsumentInnen an der Tankstelle bezahlt werden müssten.

Der Arbeiterkammerpräsident verwies außerdem auf eine Studie des Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo) und der Universität für Bodenkultur (Boku), die auf der heutigen Tagung präsentiert wurde. Demnach müssten beim weiteren Ausbau der Biosprit-Beimischung rund 95 Prozent der dafür nötigen zusätzlichen Biomasse importiert werden. "Danach hätten auch die heimischen Produzenten nicht viel vom weiteren Ausbau der Biosprit-Beimischung."

Die Ak meint auch, Biosprit-Beimischung sei eine teure Klimaschutzmaßnahme. Die Einsparung von einer Tonne des klimaschädlichen Kohlendioxids mit Agro-Diesel kostet in Österreich 210 Euro, mit Ethanol sogar 860 Euro, wenn es in Österreich hergestellt wird. Wärmedämmung an Wohnhäusern oder der Ausbau der Fernwärme sei mit etwa 20 bis 40 Euro pro eingesparter Tonne Kohlendioxids um ein Vielfaches günstiger als Biokraftstoffe.

Auch in punkto Klimaschutz brächten, nach Aussage der AK, Agrotreibstoffe wenig: Der Anbau und die Verarbeitung der Pflanzen erfordert selbst viel Energie, und die notwendige Düngung setzt selbst klimaschädliche Gase frei.

Nach den Plänen der österreichischen Bundesregierung soll der Anteil von Agro-Treibstoffen bei Benzin und Diesel im Oktober von derzeit 4,3 Prozent auf 5,75 Prozent und schon im Jahr 2010 auf zehn Prozent angehoben werden. Österreich ist das einzige Land der EU, das schon 2010 mit zehn Prozent jenes Ziel erreichen will, das in der EU inzwischen für 2020 umstritten ist.

Bei der Tagung von Arbeiterkammer und Ökobüro wird auch eine Studie der Schweizer Materialprüfungs- und Forschungsanstalt präsentiert, die zeigt, dass bei fast allen heute gängigen Produktionsmethoden von Biokraftstoffen - abgesehen von den Klimawirkungen - auch die Belastungen der Umwelt durch Versauerung, Verlust von Artenvielfalt oder Luftverschmutzung höher liegen als bei der Verwendung fossiler Kraftstoffe, teilweise um ein Vielfaches. Günstiger schneiden die Produktion von Kraftstoffen aus Abfallstoffen und die sogenannten Biokraftstoffe der zweiten Generation ab.

Biotreibstoff schließt Europas Eiweißlücke für Futtermittel

Der europäische Bauernverband verlangt, dass am Ziel eines verbindlichen Biokraftstoff-Mindestanteils von 10% festgehalten wird. Als Gründe für diese Aussage führt der Generalsekretär von COPA und COGECA einerseits die steigenden CO2-Emissionen des Straßenverkehrs und andererseits die derzeit gigantisch hohe Abhängigkeit Europas von Eiweißfutter-Importen für die Tierfütterung (35 Millionen Tonnen in Sojaschrotäquivalenten; Kosten rd. 9 Milliarden Euro) an. Somit schließt Biotreibstoff Europas Eiweißlücke.

Der Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie des Europäischen Parlaments debattierte heute den Bericht von Herrn Claude TURMES (Grüne/ALE) über Energie aus erneuerbaren Quellen.

‘Der Straßenverkehr wird bis 2010 für 90% des Anstiegs der Treibhausgasemissionen verantwortlich sein. Daher ist die Verwendung von Biokraftstoffen, die diese Emissionen reduzieren, von zentraler Bedeutung’ meinte Pekka PESONEN, Generalsekretär von COPA und COGECA. Und fügte hinzu: ‘Da der Verkehrssektor nicht vom Emissionshandelssystem abgedeckt ist, wird eine Zielvorgabe zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen für sich allein nicht ausreichen, um einen Teil der fossilen Kraftstoffe durch Kraftstoffe aus erneuerbaren Quellen zu ersetzen.’ ‘Ölpreise von mehr als 130 Dollar pro Barrel sind keine erfreuliche Nachricht für die Inflation! Eine Diversifizierung unserer Brennstoffquellen ist daher dringend geboten’, betonte er.

‘Die Nebenprodukte, die bei der Herstellung von Biokraftstoffen anfallen, sind Futtermittel hohen Proteingehalts, die für die Erzeugung von Fleisch und Milchprodukten unerlässlich sind. Augenblicklich werden 80% des Proteinbedarfs, den die EU im Bereich der Tierfütterung aufweist, importiert - das sind 35 Millionen Tonnen in Sojaschrotäquivalenten, mit Kosten in Höhe von rund 9 Milliarden Euro. Die Produktion von Biokraftstoffen wird es der EU ermöglichen, ihr Handelsdefizit in diesem Sektor zu verringern’, sagte der Generalsekretär von COPA und COGECA.

Dazu ein Beispiel aus Österreich: Allein im Agrana-Werk in Pischelsdorf fallen bei der Bioethanol-Erzeugung rund 180.000 Tonnen hochwertiges Eiweißfuttermittel an. Diese Menge ersetzt ein Drittel des derzeitig in Österreich notwendigen Eiweißfuttermittel-Imports.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /