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Schicksalshafte Abhängigkeit vom russischen Gas?

Das Geschehen in der Ukraine führt zum Nachdenken über den Abbau der Energieabhängigkeit von Russland.

Kann die Förderung von Schiefergas eine Lösung bringen? Für Milan Smrz, Vorsitzender der tschechischen Sektion von Eurosolar und Mitarbeiter der österreichisch-tschechischen NGO www.sonneundfreiheit.eu , wird in diesem Zusammenhang viel zu wenig über erneuerbare Energiequellen und über Möglichkeit der Erzeugung von synthetischem Gas aus erneuerbaren Energiequellen gesprochen.

Ein Artikel von Milan Smrz:

Schon einige Wochen nach den dramatischen Ereignissen in den Beziehungen zwischen der Ukraine und Russlands werden in der Öffentlichkeit Ängste vor der Tatsache der beträchtlichen Energieabhängigkeit unseres Landes, Tschechiens, von Russland laut, vor allem zu Erdgas. Im Fall der Tschechischen Republik macht diese Abhängigkeit ganze 75 % aus; in anderen Ländern, welche Gas aus anderem Ursprung einführen, ist sie kleiner, in den meisten europäischen Ländern aber massiv bis fatal.

In der Regierungszeit von Vladimír Putin hat Russland bereits zweimal, in den Jahren 2006 und 2009, die Gaszufuhr nach Europa über die Ukraine eingestellt. So etwas war nie zuvor passiert, nicht einmal in den schlimmsten Zeiten des Kalten Krieges. Sollen wir uns auf das Schlimmste gefasst machen? Es ist wahr, dass der derzeitige milde Winter die Gasbestände in den unterirdischen Vorratsbehältern bisher auf hohem Niveau gelassen hat, sodass wir uns für die nächsten Monate wohl nicht allzu große Ängste machen müssen diesbezüglich. Aber diese Situation muss nicht von ewiger Dauer sein.

Die Energiefrage hat die Welt schon immer bewegt, auch wenn das vielleicht nicht jedes Mal auf den ersten Blick erkennbar war. Immer wieder wurden Kriege regelmäßig zum Zwecke der Sicherung von Energiequellen geführt. Von den Kriegen des Alten Rom, das sich so Sklaven als zwar wenig effiziente aber damals billige und leicht verfügbare Energiequelle aneignete, bis hin zu den Kämpfen in Afghanistan, die mit dem Bestreben geführt werden, den Transit des Erdöls aus Gebieten des Kaspischen Meeres abzusichern.

Der Großteil der Spannungen, Kriege und Interventionen hängen auf direkte Weise mit den Energiequellen zusammen. Auch dort, wo das die breite Öffentlichkeit nicht erwarten würde. Beispielsweise befinden sich vor den Küsten des Gazastreifens im Meer große Gaslagerstätten ("ein ironisch veranlagter Zeitgenosse würde hinzufügen, dass das aufgrund des Namens ja kein Wunder sei..") und auch der englisch-argentinische Krieg über die Falklandinseln in den 80er Jahren war durch angeblich reiche Erdöllagerstätten motiviert, welche sich letztendlich nicht einmal bestätigt haben.

Ebenso ist der Konflikt um die Ukraine ein Energiekonflikt - die Wege des Gases nach Europa sind ein bedeutender geopolitischer Faktor. Europa bemüht sich, die Transportwege des russischen Gases mit weiteren Gasleitungen zu diversifizieren, dabei das bekannte englische Sprichwort von den Eiern in einem Korb integrierend, was aber das grundsätzliche Problem nicht löst.

Das Schielen nach weiteren Gasquellen bringt eine gewisse Panik mit sich. Im Zusammenhang mit der Ukraine wird immer mehr über Schiefergas gesprochen und viele hoffen, dass dieser neue Energierohstoff eine Lösung bringt und fordern von den USA, dieses Gas auch nach Europa zu liefern. Schiefergas ist aber eher nicht die Lösung der Probleme der Energiekrise, sondern mehr das Interesse von Kreisen von Investoren, nach dem sogenannten Ponzi-Schema in einer verzweifelten Anstrengung die sterbende amerikanische Ökonomie wieder anzukurbeln. Zumindest meinten das Ökonomen und die Experten der Naturwissenschaftlichen Universität Prag bei einem Seminar über "Fracking", das vor 2 Jahren in der Abgeordnetenkammer der Tschechischen Republik stattfand.


Darüberhinaus ist Schiefergas mehr ein Problem als eine neue Energiequelle. Neben den verwendeten chemischen Zusätzen, dem nötigen Wasser und den Treibstoffen für den Import großer Mengen der benötigten Lösungen sind das auch mögliche Entweichungen von Erdgas in die Atmosphäre. So hat Schiefergas eine Verschmutzung der Umwelt auf dem Gewissen, weit mehr als traditionelle Gasgewinnung, wie eine Studie der Cornell Universität das beschreibt, welche dem Schiefergas viel höhere Emissionswerte in Bezug auf die Treibhausgase zuschreibt, als das beim Abbau und bei der Verbrennung von Erdgas bei Anwendung klassischer Methoden der Fall wäre.

Dieser Bericht wurde zum Ziel von Kritik, welche deutlich von Interessensgruppen unterstützt wurde. Die Kritik behauptet, dass die Gasgewinnung sicher sei und die Gefahr von Havarien wird relativiert. Andererseits existieren Karten mit den Fördergebieten in den USA, auf denen die Orte, an denen es schon zu Unfällen beim Abbau des Schiefergases gekommen ist, eingezeichnet sind. Dafür, und es handelt sich bereits um Dutzende Lokalitäten, wird der neologistische Begriff "fraccident" verwendet.

Es existieren Fotos von Abbaustellen, welche an eine Mondlandschaft erinnern; der öffentlich zugängliche Film "Gasland" dokumentiert die Verunreinigung von Trinkwasser, Flammen schießen aus dem Wasserhahn, es gibt eine gigantische Verkehrsbelastung rund um die Abbauorte und weitere Aspekte der Förderung dieses "perspektivreichen" Energiemediums.

Präsident Obama, welcher zweifellos ganz gut über die wirklichen Vorräte an Schiefergas auf dem nordamerikanischen Kontinent informiert ist, hat kürzlich von sich gegeben, dass Europa sich besser keine großen Hoffungen darauf machen möge, von amerikanischem Schiefergas versorgt zu werden. Die sogenannte "Energy Watch Group" (EWG), eine deutsche Expertengruppe, die sich mit Energieprognosen beschäftigt, veröffentlichte im letzten Jahr eine Studie, in welcher sie den bisherigen Verlauf des Abbaus von Schiefergas in Nordamerika bewertet und ein zukünftiges Szenario in Bezug auf die Gewinnung von Schiefergas vorlegt. Laut dieser Arbeit wurde in den USA bereits das Abbbaumaximum erreicht.

Man spricht aber derzeit wenig über jene Möglichkeiten, welche die einzigen, nachhaltigen Lösungen darstellen. Über die erneuerbare Energiewirtschaft und über die Erzeugung von synthetischem Methan aus erneuerbaren Quellen. Bereits im Jahre 2005 hat das Leipziger Institut für Energetik und Umwelt eine Studie zum Potential der Erzeugung von Biomethan in Europa ausgearbeitet.

Die Studie bewertet den Umfang an landwirtschaftlichen Grundstücken, welche sich für die Kultivierung von Energiepflanzen eignen und nachhaltig die benötigte Biomasse liefern können, das Potential an Biomasseabfall in der Landwirtschaft, aus kommunaler und forstlicher Herkunft, inklusive der Möglichkeiten und Technologien der Erzeugung und Reinigung von Biogas; auch SNG, also Biogas aus unvergärter Biomasse wird behandelt, beispielsweise Stroh, Holz usw.

Diese Studie kommt zum Schluss, dass der gesamte europaweite Verbrauch an Erdgas mit Biomethan aus den oben angeführten Quellen abdeckbar ist. Das Biomethan würde in Hochdruckerdgasleitungen komprimiert und so weiter zu den Verbrauchern transportiert. Seit einigen Jahren muss man zunehmend zu diesen Möglichkeiten der dezentralen Erzeugung von Biomethan und SNG noch weitere Technologien hinzurechnen.

Die entsprechende Methode wurde von Michael Stern vom Fraunhofer Institut entwickelt und betrifft die synthetische Erzeugung reinen Methans aus dem aktuell jeweils im Überfluss vorhandenen elektrischen Strom aus sogenannten internittenten erneuerbaren Quellen, aus Windkraftwerken und Fotovoltaik in den Phasen, in denen es für den von ihnen hergestellten Strom keine Abnahme gibt und wo man sie ansonsten aus Gründen der Stabilität des Stromnetzes eben vom Netz nehmen müsste. Erste Einheiten dieser Art sind in der Bundesrepublik schon in Betrieb.

Schneller als alle erwarteten hat Russland der Ukraine seine militärische Macht vor Augen geführt. Die Abhängigkeit der Ukraine von russischem Erdöl und -gas ist fatal. Die ukrainische Regierung und Bevölkerung können sich von dieser Abhängigkeit beizeiten überzeugen, zum Beispiel in einem der folgenden Winter, denn die Versorgung der Ukraine mit Heizwärme wird zu 80 % mit Gas, vor allem russischem Gas sichergestellt.

Noch während der Kämpfe in Kiew und teilweise von ihnen überdeckt, tauchten erste Anzeichen eines Energiekriegs um das Gas auf. Der Energiegigant Gazprom verlangte von der Ukraine die Bezahlung von 1,22 Milliarden €. Das ist ein Betrag, welcher die Ukraine, die vor dem Staatsbankrott steht, nicht auf einmal zahlen kann. Gazprom hätte diesen Betrag schon unter Präsident Janukovitsch verlangen können. Damals bot Russland der Ukraine aber günstige Preise an. Heute dreht es die Preisschraube wiederholt nach oben.

Es ist ein Paradoxon, dass im Szenario des Leipziger Instituts die Ukraine mit ihrem großen landwirtschaftlichen Potential gerade eines der wichtigen Länder für die Versorgung Europas mit Biomethan ist, als Ersatz für Erdgas, eine unerschöpfliche lokale Quelle, um die nie gekämpft werden würde.

Laut des Präsidenten des Bundesverbandes für erneuerbare Energien BEE, Prof. Fritz Brickwedde, wäre es möglich, mit Hilfe von erneuerbaren Energiequellen, Einsparungen und einer Rationalisierung des Verbrauchs, die deutschen Energieimporte um 90 Milliarden € jährlich zu reduzieren und eine entsprechende Wertschöpfung für Deutschland sicherzustellen. Das, was in Deutschland möglich ist, lässt sich mit Sicherheit noch leichter in der Ukraine und auch bei uns in der Tschechischen Republik schaffen, gerade dank einer viel niedrigeren Bevölkerungsdichte.

siehe dazu auch:
http://energywatchgroup.org/wp-content/uploads/2014/04/Russische-Erdgasabhaengigkeiten.pdf
http://www.acsf.cornell.edu/Assets/ACSF/docs/attachments/Howarth-EtAl-2011.pdf
http://epub.wupperinst.org/frontdoor/index/index/docId/2274
http://www.e-control.at/portal/page/portal/medienbibliothek/gas/dokumente/pdfs/studie-biogaseinspeisung-ife-2005.pdf
Autor Milan Smrž, Vorsitzender der tschechischen Sektion von Eurosolar
erschienen im tschechischen Original am 09.04.2014 in http://denikreferendum.cz/clanek/17781-osudova-zavislost-na-ruskem-plynu
übersetzt von Bernhard Riepl, www.sonneundfreiheit.eu

GastautorIn: Milan Smrz für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /