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TIROLER TAGESZEITUNG "Leitartikel": "Es geht in die verkehrte Richtung"

von Anita Heubacher

Innsbruck (OTS) - Warum es sich lohnt, Tempo 100 zu fahren, liegt am sektoralen Fahrverbot. Es verlagert Lkw-Verkehr von der Straße auf die Schiene und bringt dem Brennerbasistunnel Kunden. Seit Jahren geht alles in die verkehrte Richtung.

Der Anteil des Straßengüterverkehrs im Vergleich zur Schiene ist gestiegen und nicht gesunken, ebenso die Millionen Tonnen Güter, die quer durch Europa transportiert werden. Transport ist billig, vor allem auf der Straße, Schieneninfrastruktur kostet vor allem die Allgemeinheit ein Vermögen.
Ein Drittel der Güter wird in Österreich auf der Bahn transportiert, in der EU ist es ein Fünftel. Den Brennerbasistunnel zu bauen, sei wesentlich einfacher, als die Straße teurer zu machen. Das ist die Einschätzung von Pat Cox. Der Ire ist EU-Koordinator für die prioritärsten Eisenbahnstrecken und damit auch für den Ausbau der Brennerachse samt Zulaufstrecken verantwortlich. Der Mann weiß, wovon er spricht. Allein, es geht alles in die verkehrte Richtung.
Seit 1993 spricht die EU von der Wegekostenrichtlinie. Das Wort zieht sich gleich in die Länge wie die Debatte, Umwelt- und Gesundheitskosten in die Transportkosten einzurechnen. Bis heute sind wir davon weit entfernt, Transport teurer zu machen. Dabei hat Österreich für die Verheißungen der Wegekostenrichtlinie 2003 das Ökopunkte-System aufgegeben. Es war das einzige Instrument, das die Zahl der Lkw-Fahrten begrenzte. Seither rollt der Verkehr ungebremst und hat am Brenner, dem nach wie vor billigsten Alpenpass, astronomische Höhen erreicht. Ohnmächtig werden die Steigerungsraten der Lkw-Fahrten an der Mautstelle Schönberg registriert. Zählt man zu den Transit-Lkw die kleineren dazu, wurde letztes Jahr die Zwei-Millionen-Fahrten-Grenze gesprengt. Im Herz der Alpen lebt man großteils am Land und atmet phasenweise die Luft einer Großstadt. Das sektorale Fahrverbot ist eines der raren Instrumente, eine Verlagerung in die richtige Richtung zustande zu bringen. Es zwingt Holz, Schrott und Müll auf die Schiene. Es hemmt den freien Warenverkehr und das Verbot ist an Gütern und nicht am Auspuff festgemacht. Dementsprechend bahnbrechend wäre es, dementsprechend umkämpft ist es. Eine Sensation, wenn es durchgeht. Dafür lohnt es sich, Tempo 100 zu fahren. Es ist der Beitrag des Pkw-Fahrers zur Wiedereinführung der Lkw-Bremse. Es ist ein Beitrag, die Straße unattraktiver zu machen, sie teurer zu machen, verlangt noch mehr. Dann hätte die Verlagerung in die richtige Richtung überhaupt eine Chance. Sonst haben wir am Ende den teuersten Tunnel auf Schiene und den billigsten Alpenpass auf der Straße.

Tiroler Tageszeitung



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Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /