© Naturschutzbund NÖ
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Ziesel- Bedroht oder nicht?

Wiener Tierschutzverein zu Häupls Ziesel-Sager: „Enttäuschend“ - Wiens Bürgermeister, selbst studierter Biologe, sieht Ziesel anscheinend nicht als bedrohte Tierart an.

Wien- Als Ziesel in Wien hat man es wahrlich nicht leicht. Besonders wenn man sich als Nager das Areal rund um das Wiener Heeresspital im 21. Bezirk als Lebensraum ausgesucht hat. Seit einiger Zeit wird dort von Seiten der Stadt Wien und den Bauträgern mit allen Mitteln versucht, die streng geschützten Nagetiere zum Wohle eines Mega-Wohnbauprojektes zu vertreiben. Trotz massiven Einwänden der EU-Kommission, die von Politik und Wirtschaft konsequent ignoriert werden, wurden vor kurzen auf einem Teil des besagten Areals Vorarbeiten genehmigt. Wie nun bekannt wurde, sollen dort sobald die Tiere ihren Winterschlaf beendet haben, auch schon die Bagger anrollen. Aktuell werden auf dem Areal auch bereits fleißig Grasnarben abgetragen, damit die Tiere nach ihrem Erwachen keine Nahrung mehr finden. Umsiedelung im Sinne des Tierschutzgedankens sieht wahrlich anders aus.

Der Wiener Tierschutzverein (WTV) sowie viele andere Tierschützerinnen und Tierschützer kämpfen seit Jahren darum, den Lebensraum der Ziesel zu erhalten. ‘Die Tierschutzbewegung hat dem Bauvorhaben anfangs eine gerechte Chance gegeben und auch den Bau der so genannten Zieselbrücke akzeptiert. Wir waren zwar skeptisch, ob die Ziesel tatsächlich übersiedeln würden, doch es bestand zumindest die Möglichkeit. Klar war aber auch, wenn die Ziesel nicht übersiedeln, dass dort nicht gebaut werden kann. Ein dennoch durchgedrücktes Bauvorhaben widerspricht europäischem Recht und österreichischem Verfassungsrecht. Es kann nicht sein, dass ein Verwaltungsorgan nach Gutdünken mehr oder weniger wichtige Gesetze unterscheidet’, so WTV-Präsidentin Madeleine Petrovic. Doch damit nicht genug: Als weiterer Kompromiss wurde die Bereitstellung einer Ausgleichsfläche für das Bauvorhaben angeregt. Trotz Baulandreserven in Höhe von über zwei Millionen Quadratmetern kommt diese Option für die Stadt Wien und die zuständige Wiener Umweltschutzabteilung (MA 22) nach wie vor nicht in Frage.

Ich liebe die Ziesel?

Dabei handelt es sich um eines der größten und vitalsten Zieselvorkommen Europas. Hinzu kommt, dass die Ziesel auf Platz Eins der Roten Liste der gefährdetsten Tierarten Österreichs stehen. Umso paradoxer erscheinen die Aussagen, die Wiens Bürgermeister Michael Häupl auf der Klubklausur der Wiener SPÖ zu dieser Causa tätigte und die Ziesel gar als Hauptschuldige für die Verzögerungen im Wiener Wohnbau nennt. ‘Ich liebe die Ziesel. Großartig’, meinte Häupl und setzte nach: ‘Wir brauchen auch den Artenschutz, aber für tatsächlich gefährdete Tiere. Es kann nicht sein, dass wir Ziesel mehr schützen als Menschen’, so der Bürgermeister.

Dass diese Aussage von einem studierten Biologen kommt, ist für die Tierschutzbewegung ein Schlag ins Gesicht. ‘Diese Aussage ist eigentlich die Ankündigung eines Rechtsbruchs. Es ist enttäuschend, dass Michael Häupl als studiertem Biologen Zusagen gegenüber Baukonzernen offenbar wichtiger sind als die FFH-Richtlinie’, sagt WTV-Präsidentin Madeleine Petrovic. Auch das Argument man stelle den Schutz der Ziesel vor die Bedürfnisse der Menschen, sei aufgrund der enormen Baulandreserven Wiens geradezu lächerlich. ‘Es ist kaum noch zu fassen, wie dreist die Regierenden in Österreich Tier-, Arten- und Naturschutz brechen und wehrlose Geschöpfe immer wieder für menschliches Versagen büßen müssen. Seien es nun die Krähen in Kärnten, die Biber und Fischotter in Niederösterreich oder die Ziesel in Wien’, so Petrovic.

Wiener Zieselfreunde?

Doch ist Bürgermeister Häupl nicht der einzige, der fragwürdige Aussagen in der Ziesel-Causa tätigt. So ist etwa auf wien.gv.at, dem Internetauftritt der Stadt Wien, in einem Artikel über die Ziesel zu lesen: ‘Wer einen Ziesel als seltenen Gast in seinem Garten hat, sollte sich darüber freuen und ihm seinen Lebensraum gönnen’. Ein Schelm, wer Böses denkt. ‘Denn diese Prämisse hat sich die Stadt Wien selbst definitiv nicht auf die Fahnen geschrieben’, so Petrovic.

Daher appelliert der WTV einmal mehr an die Bevölkerung, sich aktiv am Artenschutz zu beteiligen. ‘Die Österreicherinnen und Österreicher spenden gerne für bedrohte Wale oder Pandas. Das ist ehrenvoll, doch gefährdete Tiere gibt es leider auch direkt vor unserer Haustür. Die Ziesel sind unsere Pandas und benötigen jede nur mögliche Unterstützung’, so Petrovic.


Artikel Online geschaltet von: / stevanov /