© Naturschutzbund NÖ
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Ziesel in Wien: Rechtswidriges Baggern trotz vehementer Proteste

Die Bauarbeiten beim Heerespital in Wien gehen trotz Protesten weiter- geschützte Eidechsenart und weitere 18 geschützte Tierarten auf Gelände- Wien muss Verfahren europarechtskonform durchführen!

Wien - Die Baumaschinen rollen. Trotz heftigen Protesten von Umwelt-Organisationen und der Tierschutzbewegung, trotz Einspruch der EU-Kommission gehen die Bauarbeiten weiter. Zwar wurden die am Montag gestarteten Bauarbeiten am Nachmittag unterbrochen, aber am Dienstag ging die Zerstörung des Zieselhabitats unbeirrt weiter! Paradox, wenn man bedenkt, dass gestern ein Zauneidechsenvorkommen der Grund für den vorläufigen Baustopp war. Dieses Vorkommen wurde nach Informationen des Wiener Tierschutzvereins und der IGL Marchfeldkanal, die seit Anbeginn für die Erhaltung des Lebensraums kämpfen, selbst von der ökologischen Bauaufsicht der Bauträger gemeldet, aber von der Behörde (MA 22) in einem kürzlich ausgestellten Bescheid (der den Bauträgern die Vorarbeiten auf einem Teil des Geländes erlaubte) in Abrede gestellt.

‘Dementsprechend gab es im Bescheid auch keine Ausnahmegenehmigung für die Zerstörung von Zauneidechsenlebensraum. Ohnehin wären die Tiere bei den gestrigen Temperaturen von weit unter 15 Grad nicht fluchtfähig gewesen’, sagt Lukas Mroz von der IGL Marchfeldkanal. Warum können dann am heutigen Dienstag die Bauarbeiten so schnell wieder aufgenommen werden? Man beruft sich just auf diesen Bescheid. Dieser schreibt allerdings vor, dass - so wie von den Bauträgern eingereicht - vor jedem Baufahrzeug zwei Personen vorangehen müssen, um die Flucht von ‘fluchtfähigen Organismen’ auszulösen. Wie aktuelles Bildmaterial der IGL belegt, war dies weder gestern der Fall, noch ist dies heute durchgehend beachtet worden. Und waren es gestern noch zwei Baumaschinen, so war heute gleich eine ganze Flotte im Einsatz.



Darum ist zu befürchten, dass nicht nur die Ziesel, sondern auch zahlreiche streng geschützte Zauneidechsen, die vergangene Woche noch auf den betroffenen Flächen festgestellt und fotografiert wurden, bereits ums Leben gekommen sind bzw. den Baumaschinen zum Opfer fallen werden. Doch damit nicht genug: Eine Tatsache, die leider immer wieder unter den Tisch fällt ist, dass auf dem Gelände beim Heeresspital nicht nur die Ziesel, sondern auch andere geschützte Tierarten leben. Denn sogar die Behörde selbst bereitet in einem vorhergehenden Bescheid aus dem Jahr 2013 von insgesamt 19 geschützten oder streng geschützten Arten auf dem Areal. ‘Die von der Behörde in dem Bescheid absichtlich erlaubte ‘freiwillige’ Umsiedelung der Ziesel ist bislang ein Fehlschlag und da diese Vorgehensweise offenbar zu lange dauert, wurde ganz zur Freude der Bauträger vor kurzem der neue Bescheid erlassen, der die Vorarbeiten auf einem Teil der Fläche genehmigt’, so Mroz. Pikantes Detail: Im neuen Bescheid wird die restliche Projektfläche als ein ‘in der Umgebung vorhandener von den Maßnahmen nicht betroffener Lebensraum’ bezeichnet.

Gegen einen naturschutzrechtlichen Bescheid wie jenen der MA 22 gibt es übrigens innerhalb Österreichs keinerlei Beschwerdemöglichkeit, auch wenn dieser rechtswidrig sein sollte. ‘Es ist einfach unfassbar, mit welcher Rücksichtlosigkeit hier vorgegangen wird. Erneut erlebt die österreichische Tierschutzbewegung einen rabenschwarzen Tag. Und das in einer Stadt, in deren Besitz sich unfassbare 2,3 Millionen Quadratmeter an freiem Bauland befinden’, so Madleine Petrovic, Präsidentin des Wiener Tierschutzvereins.


‘Ziesel sind keine Ratten’ – hochgradig gefährdete Arten verdienen besonderen Schutz

Ins selbe Horn stößt auch der Umweltdachverband: Ziesel eine streng geschützte Art, welche sowohl auf der Roten Liste in Österreich als auch in den Anhängen II und IV der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie geführt wird. Mit den artenschutzrechtlichen Vorschriften dieser EU-Naturschutzrichtlinie gehen Prüfpflichten einher, welche die Stadt Wien bislang nur unzureichend wahrgenommen hat, weshalb bei der Europäischen Kommission auch ein Verfahren anhängig ist. ‘Die EU-Rechtswidrigkeit liegt auf der Hand. Die Weltstadt Wien ist aufgerufen, Verfahren europarechtskonform durchzuführen, den Schutz ihrer Natura 2000-Arten sicherzustellen und sich an europarechtliche Verpflichtungen zu halten’, sagt Michael Proschek-Hauptmann, Geschäftsführer des Umweltdachverbandes, in Reaktion auf die Maßnahmen zur Zieselvertreibung beim Heeresspital.

Stadt Wien hat besondere Verantwortung für die Ziesel

Die Bekämpfung der ohnehin hochgradig gefährdeten Ziesel ist alarmierend. Immerhin weichen sie deshalb in die Großstadt aus, weil sie im ländlichen Raum durch Versiegelung und Korridorzerschneidung zunehmend in Bedrängnis kommen. ‘Laut FFH-Richtlinie muss alles daran gesetzt werden, ihren günstigen Erhaltungszustand wiederherzustellen. Auch im urbanen Raum sind sie daher besonders schutzwürdig und dürfen nicht einfach wie Ratten gejagt werden. Die Stadt Wien muss ihre Verantwortung für den Schutz der Tiere ernst nehmen! Und: Solange das Verfahren der EU-Kommission aufrecht und keine endgültige Klärung erfolgt ist, muss man damit rechnen, dass das Bauprojekt nach wie vor untersagt werden kann. Die angelaufenen Maßnahmen müssen daher unverzüglich eingestellt werden, bis die Europäische Kommission sagt, was Sache ist’, so Proschek-Hauptmann.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /