© geralt /Gerd Altmann - pixabay.com
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CETA-Zusatzerklärungen: Interpretationshilfe löst nichts

Bundeskanzler Kern muss berücksichtigen, dass Umwelt- und Verbraucherstandards in CETA keinesfalls gesichert sind

Die Zusatzprotokolle der EU-Kommission zum umstrittenen Handelsabkommen CETA mit Kanada sind nun veröffentlicht worden. Mit Hilfe dieser Ergänzungen versucht die Kommission nun, CETA gegen die anhaltende Kritik doch noch verabschieden zu können. Im Mittelpunkt der Kritik steht bisher die Übertragung von parlamentarischen Rechten an Ausschüsse. Zudem ist der geplante Abbau von Arbeitnehmerrechten, Verbraucherschutz und des sogenannten Vorsorgeprinzips heftig umstritten.

Heidemarie Porstner, CETA-Sprecherin der Umweltorganisation GLOBAL 2000: "Diese Zusatzerklärungen sind eine reine Interpretationshilfe. Sie klingen wie die vagen Worte, die wir seit Jahren zu hören bekommen und ändern absolut nichts an der Problematik der Wirksamkeit der jeweiligen CETA-Kapitel. Die Fallstricke für Umwelt-und VerbraucherInnenschutz bleiben fest verwoben im CETA-Vertrag.’

Größte Gefährdung der Standards liegt in der ‘Regulatorischen Kooperation’

Das Kapitel 21 im CETA-Vertrag zur "Regulatorischen Kooperation" ist unter anderem dasjenige, das sich am stärksten auf Umwelt- und Verbaucherschutz-Standards auswirken wird.
In den Zusatzerklärungen gibt es einen winzigen Absatz dazu, der nichts anderes macht, als zu wiederholen, was ohnehin schon im Vertrag steht.

Heidemarie Porstner: ’Genau das ist das Problem. Man kann hundertmal bekennen, dass Staaten ihr Recht auf Regulierung nicht verlieren, wenn in den jeweiligen Kapiteln Mechanismen verankert sind, die genau das torpedieren. Um wirklich Standards zu wahren und zu verbessern, müsste das gesamte Kapitel der Regulatorischen Kooperation geändert werden. Das Vorsorgeprinzip wird nicht einmal Alibi-halber erwähnt.’

Folgende Punkte sind im Regulierungskapitel nach wie vor wirksam und gefährden den Erhalt und die Verbesserung von Standards:

*Interessensvertreter der Industrie sollen frühzeitig in den Prozess der Gesetzwerdung auf EU- oder kanadischer Seite eingebunden werden, noch bevor die Vorschläge Parlamenten vorgelegt werden

*Die regulatorische Kooperation sieht ein impact assessment vor, also eine Folgenabschätzung, in deren Rahmen Gesundheits-, Umwelt- und Verbraucherschutz gegen ökonomische Faktoren abgewogen werden soll.

*Diese Gleichbewertung steht dem in der EU geltenden Vorsorgeprinzip entgegen, wodurch bei berechtigter Annahme von Risiken für Mensch, Tier und Umwelt Stoffe vorbeugend verboten werden können. Die wirtschaftlichen Auswirkungen können damit nicht gegen gesundheitliche Risiken aufgewogen werden.

*Im Kapitel der Regulatorischen Kooperation und zahlreichen sektorenspezifischen Kapiteln (Bsp. Kapitel 25 zu Biotechnologie) zu wird der so genannte "risikobasierte" Ansatz gefordert, der in Kanada wie in den USA üblich ist. Verbote folgen erst bei Beweislage für einen bereits entstandenen Schaden.

Auch dieser Ansatz läuft dem Vorsorgeprinzip zuwider.

*Das Vorsorgeprinzip ist weder im Hauptkapitel der Regulatorischen Kooperation noch in den sektorenspezifischen Kapiteln explizit erwähnt.

Heidemarie Porstner: "Es kann auch durch Zusatzerklärungen nicht weginterpretiert werden, dass Standards an diversen Stellen im CETA-Vertrag nur allzu leicht ausgeheelt werden können.’

Kanadisches Rechtsgutachten belegt rein interpretativen Charakter der Zusatzerklärungen

Gestern wurde das Rechtsgutachten eines der führenden kanadischen Wirtschaftsjuristen, Steven Shrybman von Goldblatt Partners LLP, das im Auftrag des Council of Canadians zur Einschätzung der Wirksamkeit von Zusatzerklärungen erstellt wurde, veröffentlicht. Es bestätigt, dass die so genannten "interpretativen Erklärungen" nichts am Kern des Abkommens ändern können.

Es kommentiert Christoph von Lieven, Sprecher von Greenpeace Deutschland: ‘Auch mit den jetzt vorliegenden Zusatzprotokollen bleibt CETA eine Gefahr für Demokratie, Verbraucher- und Umweltschutz. Geht es nach den Entwürfen der Kommission sollen künftig durch CETA völkerrechtlich verbindliche Regeln ohne nationalen Parlamente und Regierungen erlassen werden können. Setzt sich die Kommission mit ihrem Vorschlag durch, sind der Klimaschutz und globale Nachhaltigkeitsziele rechtlich nicht verankert.

Offenbar wollen die Verhandlungsführer auf europäischer und kanadischer Seite bei CETA auch an einer einseitigen Paralleljustiz und einem Abbau der demokratischer Rechte festhalten. Zudem soll weiterhin ein einklagbarer Schutz für Arbeitnehmerrechte sowie Sozial- und Umweltstandards verhindert werden. Verbraucher- und Umweltschutz durch das Vorsorgeprinzip wird in den Zusatzprotokollen nach wie vor totgeschwiegen und wäre somit quasi abgeschafft.

Die SPD, der DGB, die österreichische Regierung und Teile der belgischen Regierung haben in der Vergangenheit die oben genannten Punkte ebenfalls kritisiert. Jetzt müssen sie CETA ablehnen, wenn sie glaubwürdig bleiben wollen.’


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /