© ÖBF/ Hirsch-Tracking im Nationalpark
© ÖBF/ Hirsch-Tracking im Nationalpark

Flotte Lotte, fauler Willi: Hirsch-Tracking im Nationalpark

Bundesforste präsentieren Ergebnisse des ersten Rotwild-Forschungsprojekts im Nationalpark Kalkalpen – Über 115.000 Hirsch-SMS zeichnen Wanderverhalten von Rotwild nach

Sie leben im gleichen Wald und könnten dennoch unterschiedlicher nicht sein: Die Rotwild-Hirsche und -Hirschkühe in Österreichs Wald-Nationalpark Kalkalpen. In einem mehrjährigen Forschungsprojekt untersuchten die Österreichischen Bundesforste (ÖBf) erstmals das Wanderverhalten von Rotwild in Österreichs weitläufigster Wildruhezone und darüber hinaus. Die Auswertungen liegen nun vor und geben erstaunliche Einblicke in das Bewegungsverhalten der größten Säugetiere im Nationalpark. Insgesamt 23 Rotwild-Tiere – 16 weibliche und 7 männliche – wurden seit 2012 mit einem GPS-Sender-Halsband ausgestattet und sendeten rund 115.000 SMS-Nachrichten über ihre Aufenthaltsorte. ‘Die Ergebnisse sind erstaunlich’, so Rudolf Freidhager, Vorstand der Bundesforste, die mit rund 90 % die größte Fläche im Nationalpark stellen und darüber hinaus auch ins Management eingebunden sind. ‘Es zeigt sich deutlich, dass der Bewegungsradius von Rotwild weit geringer ist als angenommen. Am aktivsten sind die Tiere in der Dämmerung und nicht, wie von manchen vermutet, in der Nacht’, fasst Freidhager zusammen. Auch zwischen den einzelnen Tieren bestehen große Unterschiede im Verhalten: Als besonders wanderfreudig zeigt sich Hirschkuh Lotte, die mit mehr als 3.000 Hektar jährlich eines der größten Gebiete durchstreift. Hirsch Wilhelm hingegen ist mal faul, mal sportlich: In einem der Besenderungsjahre schaffte er nur 500 Hektar. Am wenigsten weit treibt es den acht Jahre alten Brutus: Er kommt auf ein Streifgebiet von gerade einmal 140 Hektar.

Mit bis zu 80 km/h durch den Nationalpark

Zumindest theoretisch kann Rotwild erstaunliche Geschwindigkeiten mit Spitzen bis zu 80 km/h erreichen. Die Praxis im Nationalpark zeichnet allerdings ein ganz anderes Bild, denn die allgemeine Bewegungsfreudigkeit der Tiere ist äußerst gering. Zwar wechselt Rotwild oft seine Standorte im Wald, schafft dabei in der Stunde aber gerade einmal 300 Meter. Junge Exemplare wie Lotte, Kordula oder Hirsch Ludwig zeigen eine weit ausgeprägtere Laufaktivität als ihre älteren Artgenossen. Vor allem während der Brunftzeit im September und Oktober durchstreifen die jungen, männlichen Tiere die Wälder auf der Suche nach weiblicher Gesellschaft. Am meisten Aktivität zeigt Rotwild während der Dämmerung, vor allem am Tag wird dem Müßiggang gefrönt. Für den Austritt auf Freiflächen wie Wiesen oder Almen nützen die Tiere fast ausschließlich den Schutz der Dunkelheit – während des Tages sind sie Meister des Versteckens in den Wäldern des Nationalparks.

Bis zu sieben Mal pro Tag sendeten die 23 Rotwild-Tiere über die Jahre ihre Aufenthaltsorte, die dann zu detaillierten Bewegungsprofilen verarbeitet wurden.

Rotwildverhalten in der naturbelassenen Wald-Wildnis

‘Seit 20 Jahren ist das Gebiet rund um das Reichraminger Hintergebirge absolute Wald-Wildnis, die nur selten ein Mensch betritt. Wie sich dies auf das Verhalten des Rotwildes in der Nationalparkregion auswirkt, war besonders interessant’, betont auch Nationalpark-Direktor Erich Mayrhofer, der das ÖBf-Forschungsprojekt neben der Europäischen Union (Ländliche Entwicklung) aktiv unterstützte. ‘Die Ergebnisse zeigen klar, dass Rotwild aus den umliegenden Wirtschaftswäldern nicht stärker in den weitgehend unbejagten Nationalpark einwandert. Die 23 besenderten Tiere haben auch die jagdfreie Kernzone nicht bevorzugt aufgesucht.’

Sanftes Wildtiermanagement im Nationalpark

Die Ergebnisse der Studie dienen Bundesforsten und Nationalpark Gesellschaft als fundierte Basis für die Optimierung des Wildtiermanagements im Schutzgebiet. ‘Bei uns darf sich die Natur zwar frei entwickeln, dennoch können die bis zu 180 Kilo schweren Pflanzenfresser auch unerwünschten Einfluss auf das Wald-Ökosystem nehmen’, so Mayrhofer und Freidhager fügt hinzu: ‘Selbst dort, wo die Natur sich selbst überlassen ist, bedarf es einer professionellen und möglichst störungsarmen Regulierung des Wildbestandes.’

Auch im Nationalpark Donau-Auen in Niederösterreich führen die Bundesforste derzeit ein Hirsch-Telemetrie-Projekt durch. Insgesamt tragen bereits 10 Tiere ein GPS-Halsband, weitere Besenderungen sind für die kommenden Monate geplant. Ergebnisse über die Wanderungen des Rotwilds in den Au-Gebieten werden für 2019 erwartet.

Hirschbeobachtung live!

Jetzt im Winter bietet der rund 21.000 Hektar große Nationalpark Kalkalpen für Naturfans ein ganz besonders Schauspiel: Im Bodinggraben, einem der schönsten Talschlüsse der Region, finden sich täglich bis zu 100 Rotwild-Hirsche und -Hirschkühe bei der Winterfütterung ein. Im Rahmen geführter Touren können die prächtigen Tiere von einer Besucherplattform aus so nah wie sonst nie beobachtet werden. In den Sommermonaten sind es vor allem die Familienverbände zahlreicher Hirschkühe mit ihren teils frisch geborenen Kälbern, die BesucherInnen zur Naturbeobachtung anlocken, bis im Herbst die imposante Hirschbrunft beginnt. Dann buhlen die mächtigen Rothirsche lautstark um die Gunst der Weibchen. Weitere Informationen und Anmeldungen zu den geführten Touren im Nationalparkzentrum Molln unter der Telefonnummer 07584/3651.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /